Das Ende der Geduld
Polizeibeamten wissen darüber hinaus manchmal, wer mit wem welche Taten begeht und ob sich bereits Bandenstrukturen entwickeln. Dies ist sowohl für die Vorgehensweise des Jugendamtes als auch für die der Schule von Belang. Vielleicht lebt das Kind in einer Familie, in der die Eltern und Geschwister bereits straffällig geworden sind. In derartigen Situationen muss staatlicherseits schneller und konsequenter reagiert werden als in einer nur vorübergehenden Notlage.
Datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine Kooperation zwischen den Schulen und der Polizei auch über den Einzelfall hinaus liegen meiner Ansicht nach nicht vor. Und selbst wenn sie vorlägen, wären sie zum Wohle der Kinder zu beseitigen: „Kinderschutz vor Datenschutz" muss auch in diesem Zusammenhang die Devise lauten. Denn der Kinderschutz kann längst nicht mehr darauf reduziert werden, nur in Fällen schlimmster Verwahrlosung in Aktion zu treten. Zunehmend müssen die Kinder vor ihren allgemeinen Lebensbedingungen innerhalb der Familien geschützt werden.
Schließlich liegt es nicht zuletzt bei den Familien, durch rechtzeitige und nachhaltige Kooperation staatlicher Reaktion zu entgehen. Wenn sie dem nicht Folge leisten, hat das Kindeswohl Vorrang. Erfolg versprechende Hilfe für den Schüler ist durch langwierige Verwaltungsvorgänge unter Beteiligung vieler Personen und Institutionen nicht in kurzer Zeit zu gewährleisten. Kindheit und Schule finden aber immer „jetzt" statt. Schule bedeutet Bildung und Bildung heißt Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe.
Verbesserung des schulischen Angebots
Es darf vom Staat erwartet werden, dass er sein schulisches Angebot der verschlechterten Ausgangslage, die er durch jahrzehntelanges Zögern und Zaudern zumindest mitverursacht hat, anpasst. Dazu zählt, dass die Hauptschulen als reines Auffangbecken für die „Bildungsverlierer" abgeschafft werden müssen. Begrüßenswert erscheint in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Einführung der sogenannten Sekundärschulen in Berlin, auch wenn ich gegenwärtig noch nicht so recht durchschaue, wie das Konzept umgesetzt werden soll. Danach gibt es bei den weiterführenden Schulen nur noch zwei Typen, nämlich die integrierte Sekundärschule und die Gymnasien - immerhin werden diese nicht abgeschafft, was ebenfalls diskutiert wurde. Die Sekundärschule fasst Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammen und ist im Grunde eine Ganztagsschule, was ich sehr begrüße. Nach zehn Schuljahren wird der mittlere Schulabschluss erreicht, der Schüler kann auf der Sekundärschule aber auch das Abitur ablegen. Die Grundschule ist aufgefordert, für jeden Schüler eine Förderprognose zu erstellen und mit den Eltern ein verbindliches Beratungsgespräch für den Übergang auf die weiterführende Schule zu führen. Die Eltern sollen dann zwar das Recht haben, die gewünschte Schulart und die entsprechende Schule zu wählen, haben jedoch naturgemäß keinen Anspruch auf die bevorzugte Einrichtung. Da schwant einem sogleich das drohende Chaos. Der „Ruf" einer Schule ist für Eltern oft das entscheidende Kriterium. Sowohl bei bestimmten Sekundärschulen als auch und vor allem auf bestimmte Gymnasien wird es zu entsprechenden „Runs" kommen, während andere, vornehmlich diejenigen in „Problemvierteln", zu kämpfen haben werden. Wie erfolgt dann die Verteilung der Schülerinnen und Schüler? 60 Prozent sucht die Schulleitung selbst aus. Mindestens 30 Prozent werden zugelost. 10 Prozent bleiben Härtefällen vorbehalten. Das Losverfahren ist mir bislang unklar. Ist ein reines Losverfahren ohne Berücksichtigung von Wohnort und Förderprognose gemeint? Nehmen wir an, Mandy aus Marzahn im Ostteil Berlins wird einem Gymnasium in Spandau ganz weit im Westen der Stadt zugelost. Dann fährt sie morgens eine Stunde quer durch die Stadt. Auf der höheren Schule muss sie ein Probejahr bestehen. Schafft sie das nicht, folgt ein Wechsel auf eine Sekundärschule. Schafft sie es, ist später ein Wechsel nicht mehr vorgesehen. Das erscheint mir für die praktische Umsetzung nicht gerade einfach zu sein. Selbst im Ganztagsbetrieb ist eine große räumliche Entfernung zwischen dem sonstigem sozialen Nahfeld und der Schule nicht unproblematisch. Ob die Eltern zum Besuch eines Elternabends den Weg nach Spandau auf sich nehmen? Ob Mandy Freundschaften pflegen kann? Ich selbst wäre jedenfalls ohne meine Schulkameraden in der Nähe meines Elternhauses bei der Erledigung der Hausaufgaben für so
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