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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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unverständliche Fächer wie Mathematik verloren gewesen. Vielleicht ist das aber auch überflüssig, wenn der relevante Unterrichtsstoff in der Schule umfänglich bearbeitet werden kann. Richtig gut finde ich in jedem Fall, dass Lernen und Praxis in der Sekundärschule miteinander verknüpft werden sollen. Daran fehlt es bei den Jugendlichen in Neukölln im Regelschulbetrieb. Viele haben einen Zugang zu praktischer Tätigkeit und die Theorie fällt ihnen leichter, wenn sie ein Gefühl dafür entwickeln, wozu das Erlernte gut ist. Auch die verbindliche Kooperation zwischen Jugendämtern und Schulen ist begrüßenswert. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschule sowie Grundschule und Sekundärschule. Allerdings frage ich mich beklommen, weshalb diese nicht schon längst existiert. Eine konzeptionelle Gestaltung des Übergangs von der Kita zur Grundschule findet nach meinem Erkenntnisstand nicht statt.
    Insgesamt handelt es sich um ein ehrgeiziges Unternehmen, das zum 1. August 2010 „ans Netz gehen soll". Ein Jahr später ist wohl realistischer. Schließlich müssen sich mehrere bisher selbstständige Schulen zusammenfinden. Was für eine logistische Herausforderung! Der Versuch, durch die Zweigliedrigkeit des Systems eine Chancenangleichung der Schwächeren nach oben zu ermöglichen, ist erkennbar. Desgleichen soll eine Durchmischung von Kindern aus unterschiedlichen räumlichen und sozialen Strukturen auf den Weg gebracht werden. Meine hoffentlich unbegründete Befürchtung ist, dass die Eltern der bisherigen Real- und Gesamtschüler aus Angst, das Niveau der zusammengelegten Schulen könnte sich verschlechtern, alles versuchen werden, um ihre Kinder auf Gymnasien oder Privatschulen unterzubringen. Dies hätte dann tatsächlich eine Herabsetzung des Sekundarschulniveaus zur Folge.
    Ganztagskindergärten sollten meiner Meinung nach dem Ganztagsschulbesuch vorgelagert sein. Gerade die Kinder aus Migrantenfamilien starten oft ohne Kindertagesstättenerfahrung mit einem entsprechenden Nachteil bereits in die Grundschule. Zu Hause wird Türkisch oder Arabisch gesprochen. Ein deutsches Kind kommt im Schnitt mit einer Vörlesezeit seitens der Eltern und Großeltern von 3000 Stunden in die Grundschule - was allerdings für die deutsche Unterschicht zumeist nicht zutrifft. In zugewanderten Familien wird so gut wie gar nicht vorgelesen, und wenn, dann sicher nicht in deutscher Sprache. Wenn aber bereits sprachlich gravierende Unterschiede auch für die Kinder selbst erkennbar sind, erleben wir es in der Praxis häufig, dass die gegenseitigen Ressentiments bereits in den ersten Schuljahren beginnen. In dieser Phase entwickeln sich dann auch alsbald die ersten Frustrationen mit den entsprechenden Folgereaktionen.
    So ist mir ein Fall bekannt, in dem ein elfjähriges Kind gegenüber seiner Lehrerin äußerte, sie habe ihm gar nichts zu sagen. Sie - die Lehrerin - sei Deutsche. Und Deutsche seien Freunde der Juden, und die seien Feinde der Araber, und deshalb befolge es die Anweisungen der Lehrerin nicht. Intervenierende Maßnahmen der Schule und des Jugendamtes fruchteten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nicht mehr. Vielleicht wäre diese Entwicklung zu verhindern gewesen, wenn das Kind spätestens ab dem dritten Lebensjahr selbst die Erfahrung gemacht hätte, dass man mit allen Kindern spielen und später auch lernen kann. Je jünger die Menschen sind, wenn sie sich begegnen und eine gemeinsame Zeit sinnvoll verbringen, umso nachhaltiger kann den oben zitierten Ansichten entgegengewirkt werden. Hiervon sind wir gegenwärtig meilenweit entfernt. Im Gegenteil höre ich von Direktoren von Neuköllner Schulen immer wieder und mit zunehmender Ratlosigkeit, dass die wenigen deutschen Kinder, die diese Schulen noch besuchen, unter starken Druck gesetzt werden und sich mit rassistischen Äußerungen demütigen lassen müssen. So heißt es unter den Schülern, Deutsche seien schwul, man brauche die Deutschen nicht, die Araber und Türken seien sowieso bald in der Mehrheit, und dann werde ohnehin alles anders. Hier sind bereits Abstumpfungsprozesse im Gange, die nicht hingenommen werden sollten. Das umgekehrte Phänomen der rassistischen Äußerungen gegenüber Migrantenkindern darf dabei nicht in den Hintergrund treten. Als ich hörte, dass im Westteil Berlins eine Lehrerin zu drei türkischstämmigen männlichen Schülern gesagt haben soll: „Ich kann mir eure Namen nicht merken, also seid

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