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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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zuständigen Jugendamtsmitarbeiter und habe darüber hinaus einen an der Schule tätigen Schulsozialarbeiter dem Jugendamtsmitarbeiter und der Familie vorgestellt. Der gute Wille aller Beteiligten sei hier nicht in Zweifel gezogen, aber es lässt sich denken, dass alle diese Schritte wertvolle Zeit gekostet haben. Außerdem tritt bei Befassung mehrerer Personen mit ein und derselben Problemlage leicht der Effekt von „Einer wird wohl schon was gemacht haben" ein. Meine Nachforschungen haben jedenfalls ergeben, dass der Junge inzwischen nicht mehr der Schulpflicht unterliegt und mit einem Abgangszeugnis „ausgeschult" wurde. Es folgen sicher berufsvorbereitende Maßnahmen. Das Bußgeldverfahren geht auf diese Weise auch ins Leere. Wie gesagt, das Verfahren wurde mir erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 vorgelegt.
    Ein weiteres Beispiel: Ein Kind in der zweiten Klasse ist in den Sommerferien mit der Familie in die Türkei gereist und kehrt zu Beginn des neuen Schuljahres nicht an seine Schule zurück. Die Lehrerin schreibt einen Brief an die Eltern. Es antwortet die große Schwester, das Kind sei in der Türkei an einer schweren Bronchitis erkrankt und gegenwärtig nicht transportfähig. Ein ärztliches Attest werde vorgelegt, sobald die Familie zurückgekehrt sei. Das Kind erscheint weiterhin nicht. Es folgt ein zweiter Brief per Einschreiben mit einer Terminfestsetzung für ein Gespräch in der Schule. Die große Schwester behauptet, das Attest sei nunmehr unterwegs, das Kind hingegen weiter krank. Nach etwa einem Monat erscheint die Schülerin zwar. Die Direktorin beharrt jedoch auf dem Attest. Die besagte Schwester, die offenbar die behördlichen Dinge regelt, meint, sie habe nun zwar das Attest, müsse es aber zunächst übersetzen lassen. Der Hinweis, Letzteres sei nicht notwendig, wird ignoriert. Jetzt ruft die Schule an. Die kindliche „Familienmanagerin" schreckt nicht davor zurück, nun anzugeben, die Dolmetscherin habe das Attest beim Umzug verloren und man sei dabei, ein neues aus der Türkei anzufordern. Zu einem späteren Zeitpunkt erscheint eine weitere Schwester in der Schule und behauptet, der türkische Arzt weigere sich, ein zweites Attest auszustellen. Ein Bußgeldverfahren wird zwar betrieben, jedoch lässt sich bei derartigen Strukturen denken, dass es nicht hilfreich sein wird. Die Familie wird weiter Ausreden benutzen und niemals mit der Schule kooperieren - alles auf Kosten des Kindes.
    In einem weiteren Fall hatte ich es mit einer deutschen Mutter von vier Töchtern zu tun. In diesem Bußgeldverfahren ging es um das jüngste Mädchen. Alle Kinder hatten dieselbe Hauptschule besucht, und keines hatte bisher seine Schulpflicht erfüllt. Die Mutter behauptete gegenüber dem Jugendamt, die Tochter sei der Schule verwiesen worden und sie sei damit befasst, eine neue Schule zu suchen. Es verging Zeit, bis nachgefragt wurde. Dann stellte sich heraus, dass die Geschichte mit dem Verweis nicht stimmte. Die Schule hatte durch Briefe und Hausbesuche versucht, Kontakt zur Mutter aufzunehmen. Gegenüber den Lehrern wurde dann behauptet, das Jugendamt sei eingeschaltet, man komme gegenwärtig einfach nicht an das Kind heran. So warteten Jugendamt und Schule guten Gewissens aufeinander, bis das Schuljahr vorbei war. Das jüngste Mädchen hat das gesamte Schuljähr 2008/2009 mit Billigung seiner Mutter versäumt. Es hat nun keinerlei Chance auf einen Schulabschluss. Inzwischen ist die Tochter 16 Jahre alt. Aller Voraussicht nach bekommt sie bald das erste eigene Kind und das Trauerspiel beginnt von vorn. Ihre eigene Mutter zeigte sich hingegen verwundert, dass beim vierten Kind nun ein Gerichtsverfahren stattfinden müsse. Es sei ja vorher auch immer ohne Behelligung durch die Justiz abgegangen.
    Beispiele wie diese zeigen, dass die Verhängung von Bußgeldern gegen die Eltern meist deutlich zu spät kommt, um bei diesen eine Verhaltensänderung zu erreichen, die für die Kinder während der Schulzeit noch hilfreich ist.
    Insgesamt gehen die wohlgemeinten Hilfsangebote der Ämter und Schulen, zugewandtes Abwarten und manchmal auch eine schlichte Überforderung der Mitarbeiter letztlich zulasten des Schülers, denn er erhält die Gelegenheit, sich durch hinhaltende Gespräche aus der Affäre zu ziehen. Gleiches gilt für die Eltern. Hier wäre also eine Straffung und Vereinfachung der Abläufe in standardisierter Form dringend notwendig, um Verbindlichkeit und Wirksamkeit zu erreichen.
     

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