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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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die Mode und die Werbung, das Kino und das Straßenbild zeigen – sie reichen als Vergleich. Auch die Menschen, die keine Intensivkonsumenten der Pornografie sind, sind Intensivkonsumenten der Wirklichkeit.
    Pornografie ist nur die gewerbliche, industrielle Übertreibung einer Gesellschaft, in der die Unendlichkeit der Partner und die Unendlichkeit der Körper, ihre unendliche Zahl, Perfektion und Selbstübertreibung, allgegenwärtig geworden sind. Die nackte Haut in der Pornografie ist nur die überdeutliche Darstellung der möglichen, immer denkbaren Nacktheit aller in der Wirklichkeit. Accessoires, Reizwäsche und [129] Schminke, die in der Pornografie sexuelle Verfügbarkeit anzeigen, sind gleichbedeutend der möglichen Verfügbarkeit aller Menschen in der Wirklichkeit. Pornografie zeigt in der Anschaulichkeit und Drastik der Sexualität, was auch für die Liebe gilt: Das Gesetz der großen Zahl, der unbegrenzten Möglichkeiten. Alle Menschen gehen heute nackt durch die Straßen. Alle stehen zur Wahl. Jede U-Bahn-Fahrt ist Pornografiekonsum.

[130] FÜNF
    UNBEGRENZTES ICH, ENTTÄUSCHENDES DU
    Das fünfte Kapitel: das erzählt, wie die Menschen auf die Unendlichkeit reagieren, nämlich mit einem permanenten Suchen und Wählenwollen; dass aus Hingabe Handeln wird, die Menschen aber mit ihrem Handeln nie zufrieden sein können; dass sie sich jeden, den sie finden, einverleiben – und augenblicklich wieder erbrechen; dass sie also Bulimiker der Liebe sind; dass sie umgekehrt von jedem Anderen gefressen werden, denn jeder Gesuchte ist heute selbst ein Suchender; in dem erklärt wird, warum die Menschen von jedem Anderen, den sie finden, enttäuscht sind; dass die Einzigartigkeit des Anderen, die früher entscheidend für die Liebe war, heute Anlass zur Enttäuschung gibt; dass die Schönheit verschwindet; in dem berichtet wird, dass die Menschen einen feinen Geschmack entwickeln, der grob gegen alles wird, was ihm nicht entspricht; dass sie, weil sie wählen müssen, nach guten Gründen für eine Wahl suchen, sie aber keine Liebe begründen können; dass sie jeden, den sie finden, mit ihrer Erinnerung vergleichen; in dem erklärt wird, warum die Menschen, die endlos suchen, auch von sich selbst permanent enttäuscht sind, dass ihre Suche in Selbsthass kippt; dass die Menschen sich als passiv, ungenügend und narzisstisch erfahren; dass ihre Organe sich unendlich vergrößern; dass ausgerechnet die unbegrenzten Möglichkeiten die Grenze ihres Lebens bilden; in dem von einem Mann erzählt wird, dessen Suche zur Sucht wird, und einer Frau, die sich das Leben nimmt, weil sie nicht mehr suchen will

[131] Jede Suche hat mehrere Voraussetzungen. Sie setzt einen Mangel voraus, dann eine Vorstellung von etwas, das den Mangel beheben wird – ersatzweise einen bewusstlosen Suchinstinkt oder Suchautomatismus –, und schließlich die Fähigkeit, sich selbst zu bewegen und das Gesuchte zu ergreifen, oder – falls das Gesuchte sich bewegt – die Fähigkeit, sich an einen Ort zu bewegen, an dem das Gesuchte vorbeikommt, wahlweise einen geeigneten Standort von Anfang an, wie ihn die Seeanemone in ihrem Riff besitzt.
    Die Menschen haben immer gesucht. Es hat ihnen immer an etwas gemangelt. Auch die freien Menschen suchen, weil es ihnen an etwas mangelt – an Arbeit, Zeit, Gesundheit.
    Aber sie suchen genauso häufig, weil es Überfluss gibt. Sie empfinden einen Mangel angesichts eines Überflusses. Aus der Suche nach Nahrung wird die Suche nach der besten Nahrung im Nahrungsüberfluss. Aus der Suche nach einer Wohnung wird die Suche nach der besten Wohnung im Wohnungsüberfluss. Aus der Suche nach einem Gefährten wird die Suche nach dem besten Gefährten im Überfluss möglicher Gefährten.
    Eigentlich sollte es einen Überfluss möglicher Gefährten gar nicht geben. Viele mögliche Partner gibt es ja nur für einen, der fast keine Ansprüche hat, also weiß, dass er mit vielen zufrieden wäre. Wer dagegen hohe Ansprüche hat – wie die freien Menschen –, der weiß, dass er nur mit wenigen zufrieden wäre. Wer hohe Ansprüche hat, sollte nicht überall und in jedem Augenblick die Hoffnung haben, seinem Gesuchten zu begegnen. Er sollte sich nicht dauernd auf der Straße umdrehen.
    Wie also können die Menschen gleichzeitig die höchsten Ansprüche und die größte Hoffnung haben? Sie können es nur dann, wenn sie die Menge der möglichen Partner als unendlich erfahren. Nur dann ist auch das Seltene häufig – unendlich

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