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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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[132] häufig. Die freien Menschen suchen nach einer häufigen Seltenheit.
    Die Menschen suchen jetzt auch nach der besten Suche – im Überfluss der Suchmethoden, Suchagenturen, Suchmaschinen. Die freien Menschen fragen sich ständig: »Suche ich richtig? Kann ich meine Suche verbessern?« Das heißt: »Habe ich richtig nach der richtigen Suche gesucht? Kann ich meine Suche nach der besten Suche noch verbessern? Sollte ich eine andere Methode wählen, eine andere Maschine?«
    Die freien Menschen suchen permanent nach Fehlern ihrer Suche, also Fehlern ihres Selbst , dessen vorrangige Eigenschaft das – geleistete oder unterlassene, gemeisterte oder verfehlte – Suchen ist.
    Sie begreifen sich selbst als – funktionierende oder defekte – Suchmaschinen. Sie sagen: »Ich bin depressiv, ich kann im Augenblick nicht suchen. Kein neues Projekt, keinen Sinn, keinen Partner. Ich bin ein schlechter Suchender. Andere finden immer mehr als ich.«
    Die Suche der Menschen führt heute von der Weite in die Enge. Sie soll vom Überfluss zum Besten führen, zu etwas Festem. Einst führte die Suche vor allem von der Enge in die Weite. Die Enge, das waren Heimat, Eltern, die Moral, das Denken der Zeit. Die Weite, das waren die Welt, die Kunst, fremde, neue Menschen, die Freiheit, das eigene Denken. Natürlich gibt es diese Suche noch immer. Doch die freien Menschen existieren in der Weite von Anfang an, in der Fremde, in der Freiheit, mit den unbegrenzten Möglichkeiten. Die tatsächlich individuelle Suche führt also in die Gegenrichtung.
    Früher wollten die Menschen mit der Suche aus ihrem Alltag herausfinden. Die Suche war ein Zweck an sich, eine Existenzform, ein Ausdruck des Lebendigen.
    [133] Die freien Menschen dagegen wollen mit der Suche vor allem in einen Alltag hineinfinden. In welchen? Das ist Gegenstand der Suche. Die Menschen wollen mit der Suche aus der Suche herausfinden.
    Früher wollten die Menschen nur der Endlichkeit ihres Lebens entkommen, der Wiederholung ihres Lebens, der Enge ihrer Existenz . Sie suchten eine Unendlichkeit von Erfahrungen.
    Auch die freien Menschen suchen noch und mehr denn je eine Unendlichkeit von Erfahrungen. Doch sie wollen zugleich der Unendlichkeit entkommen, der Weite ihrer Existenz. Sie ersehnen eine Endlichkeit der Erfahrung, Schutz gegen das Unbegrenzte. Sie wollen dem Überfluss der Möglichkeiten entgehen – indem sie eine Möglichkeit finden, die alle anderen in sich birgt und übertrifft.
    Dieser Weg von der Weite in die Enge, vom Überfluss zum Besten, ist ein Weg von der Öffentlichkeit ins Private. Früher überwanden die Suchenden die enge Privatsphäre und brachen auf ins Öffentliche, in die Gesellschaft. Die freien Menschen aber haben keine Privatsphäre mehr von Anfang an. Im Gegenteil, ihre Suche ist darauf gerichtet, diese erst zu schaffen. Die Menschen sind zu einem Leben ausschließlich in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft verdammt. Besonders jene, die in Einsamkeit leben, leben in der Öffentlichkeit. Die Menschen haben nicht einfach ein enges Verhältnis zu ihrer Familie; es sei denn, sie schaffen es – immer wieder. Sie haben keine Freunde seit Kindertagen; sie müssen sich Fremde zu Freunden machen – immer wieder. Sie leben nicht notwendig in einer Partnerschaft; sie suchen einen Partner – immer wieder.
    Die Menschen haben auch kein privates Denken mehr von Anfang an. Sie denken von der Welt und sich selbst in einer [134] ausschließlich öffentlichen Weise. Sie bemessen ihren Wert für andere ausschließlich nach ihren Leistungen, ihren messbaren, sichtbaren Qualitäten, nach ihrem Erfolg, ihrer Schönheit. Sie denken permanent über ihre Kleidung nach. Sie fragen sich ständig, was sie vorzuweisen haben. Was ist meine Tagesbilanz, meine Jahresbilanz, meine Lebensbilanz?
    Die Privatsphäre war für den Menschen dasselbe wie die Stratosphäre für die Erde. Sie schützte vor den Strahlen, die – ungefiltert – tödlich sind, den Strahlen der Sonne, der Gesellschaft.
    Die freien Menschen beurteilen sich selbst ausschließlich nach öffentlichen Maßstäben, denn da ist niemand, der sie privat beurteilt; ihre privaten Beziehungen sind noch unsicherer als ihr Arbeitsplatz. Das Private ist jetzt eine Weite, Leere. Der einzige feste Partner der freien Menschen ist ihr Chef, ihr Arbeitgeber – wenn überhaupt.
    Das Private wurde nicht aufgelöst von einem totalitären Staat, sondern von einer totalen Freiheit, in der das Private nie gegeben, immer

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