Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
befreundet, seit sie zusammen in Seoul studiert haben. Ich lernte Stephanie durch eine Freundin kennen, und sie brachte Kirsten mit, weil sie laut Stephanie ein typisches »Goldfräulein« ist: vierunddreißig, erfolgreich und Single aus Überzeugung. Wir trafen uns in einem gemütlichen Teehaus, das gleichzeitig als Theater diente und in dem südkoreanische Versionen veganer amerikanischer Gerichte serviert wurden (Tofukäsekuchen zum Beispiel). Beide Frauen waren ganz bewusst gestylt, wirkten aber keineswegs oberflächlich; Kirsten trug ihre Arbeitspapiere in einem Rucksack mit sich herum, nicht in einer Designerhandtasche. Sie arbeitet als Produzentin von Seifenopern für den größten südkoreanischen Fernsehsender. Beide Frauen haben offenbar ein stabiles Familienleben für Unabhängigkeit und Erfüllung im Beruf geopfert.
Kirsten hat seit drei Jahren einen festen Freund. Sie wohnen nicht zusammen, weil das in Korea nur sehr wenige Paare tun. Theoretisch möchte sie irgendwann einmal heiraten, tatsächlich jedoch unternimmt sie nichts, um diesem Ziel näher zu kommen. Ihr gegenwärtiges Leben sei »perfekt«, sagte sie. »Ich verdiene gut und mache, was immer ich will.« Was immer sie will bedeutet, dass sie an den meisten Tagen von sieben Uhr morgens bis Mitternacht auf dem Set arbeitet, aber das macht ihr nichts aus. Sie hat ihrem Freund schon gesagt, dass sie nie aufhören wird zu arbeiten, nicht einmal, wenn sie ein Kind bekommt, wobei das Kind nur so ein Gedanke und keinerlei konkrete Möglichkeit ist.
Kirsten weiß genau, wie es hart arbeitenden Müttern in der südkoreanischen Kultur geht, weil sie ständig in ihren Seifenopern vorkommen. In einer ihrer jüngsten Serien gab es anfangs eine berufstätige Mutter, die ständig Anrufe von der Schule bekam, die ihr autistischer Sohn besuchte. Doch die Zuschauerreaktionen auf die Frau waren so feindselig, dass sie die Figur ihre Arbeit aufgeben lassen mussten. Diese Erfahrung in ihrem Berufsleben führte bei Kirsten nur dazu, dass sie ihr Privatleben noch entschlossener verteidigt. »Ich sehe wirklich keinen Grund, warum ich heiraten sollte«, sagt sie. »Ich müsste nur die ganze Arbeit machen. Alle meine verheirateten Freundinnen beschweren sich über ihr Leben. Daraus kann ich nur den Schluss ziehen, dass das Leben nach der Hochzeit nicht besser wird, sondern schlechter.«
» Sie beschweren sich?«, fragt Stephanie. Ihre Frage ist rhetorisch, weil ihre Geschichte vielleicht der wichtigste Grund dafür ist, dass Kirsten unverheiratet bleibt. Einige Jahre zuvor heiratete Stephanie ihren Freund, den sie für den »neuen koreanischen Mann« hielt, einen coolen Modefotografen, der zu verstehen schien, was sie wollte. Jetzt fasst sie ihre Erfahrung mit den Worten »Ich wurde total betrogen« zusammen. Gleich nach der Hochzeit habe er sich zum traditionellen Koreaner zurückentwickelt. Er habe keinerlei Hausarbeit gemacht und auch nicht gekocht und sei einfach nur zum Arbeiten in sein Zimmer gegangen. Wenn sie dreimal im Jahr beruflich reisen musste, lud er ihren Sohn bei ihren Eltern ab. »Ich habe alles alleine gemacht«, sagt sie. »Ich war der Ernährer und die Hausfrau, und es kam mir sinnlos vor, verheiratet zu bleiben.« Also reichte sie die Scheidung ein. »Es fühlt sich an, als ob ich ihn gefeuert hätte.
Unsere Generation wurde dazu erzogen, mit Männern zu konkurrieren. Wir gehen auf gleich gute Schulen, bekommen gleich gute Jobs und machen fast die gleichen Karrieren. Und dann heiraten wir, und die Männer erwarten, dass wir zu einer ganz anderen Mentalität zurückkehren«, sagte Stephanie. »Früher wurden nur die Söhne wie Könige aufgezogen. Aber heute werden wir wie Königinnen aufgezogen, und wenn Könige und Königinnen im gleichen Haus leben, dann knallt’s.«
Die vielleicht deprimierendsten Geschichten, die ich in Korea hörte, handeln von Erfahrungen, die erfolgreiche Frauen auf dem Heiratsmarkt machen. Junge Männer und junge Frauen nutzen häufig Singlebörsen im Internet oder andere Partnervermittlungsagenturen, und wie alles in Korea werden auch potenzielle Ehepartner in eine Rangliste eingestuft. Frauen bekommen Punkte abgezogen, wenn sie nicht arbeiten, aber sie verlieren noch mehr Punkte, wenn sie zu gut ausgebildet sind oder das Potenzial haben, zu viel zu arbeiten. Deshalb wird eine Frau, die zum Beispiel ein Fulbright-Stipendium oder einen Doktor hat, bei der Partnervermittlung ihr Licht unter den Scheffel stellen und lügen
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