Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
porträtiert. Sie zieht an, was sie in Sex and the City oder Gossip Girl gesehen hat, und trägt englischsprachige Zeitschriften mit sich herum, die sie nicht wirklich versteht. Demgegenüber ist die Fashionista eine echte Künstlerin, die ideale moderne südkoreanische Frau, denn sie hat einen persönlichen Stil entwickelt, der sich auf das einheimische Angebot stützt. In der Fashionista sehen sich die Südkoreaner als eine Nation vertreten, die den Vergleich mit Frankreich oder den USA bestehen kann, eine Nation, deren kulturelles Prestige ihrer wirtschaftlichen Macht entspricht. Demgegenüber steht die Sojapastenfrau für die Angst der Koreaner, eine neureiche Nation mit wirtschaftlicher Macht, aber ohne Stil und ohne Ansehen zu sein, eine bloße Nachahmerin der Modernität anderer Nationen.
In ihrem Essay zitiert Chung aus einer ganzen Reihe von Geschichten, in denen eine Liebesaffäre zwischen Sojapastenfrau und Pfefferpastenmann geschildert wird. Der Pfefferpastenmann ist ein fleißiger Student, der gerade seinen Militärdienst absolviert hat und sich auf die brutalen landesweiten Prüfungen vorbereitet. Er hat nicht viel Geld, also nimmt er nur magere Mahlzeiten zu sich und trinkt nur Wasser – bis er der hübschen Sojapastenfrau begegnet. Sie lässt sich von ihm zu einem tollen Essen und einem Starbucks-Kaffee einladen, und er verpulvert alles Geld, das er noch hat, für dieses eine Essen. In der Parabel ist der Pfefferpastenmann das alte, edle Korea, und die Frau ist eine oberflächliche Verführerin, die das Land auf gefährliche Abwege bringt.
Es ist leicht, die Sojapastenfrau auf den Straßen Seouls zu erkennen – eine junge Frau mit Sonnenbrille und Designerhandtasche, die bei Starbucks in der Schlange steht. Meiner Erfahrung nach schlürft sie jedoch keineswegs andächtig ihren Cappuccino oder überschwemmt ihre Freundinnen mit SMS , in denen sie ihnen das gerade angesagte Einkaufszentrum empfiehlt. Am abwegigsten erschien mir am Klischeebild der Sojapastenfrau, dass sie irgendwie leichtfertig sein soll. Sie ist vielleicht grob und geschäftstüchtig, aber ganz bestimmt keine Frau, die unendlich viel Zeit hat. Am Anfang meiner Recherchen schrieb ich ein paar Kontaktpersonen, dass ich gerne mit einigen jungen koreanischen Frauen »abhängen« und vielleicht einen Einkaufsbummel mit ihnen machen wolle. Die Idee war mir gekommen, als ich von den sogenannten »Parasitenfrauen« in Japan las, fanatischen jungen Shopperinnen, die den ganzen Tag in Einkaufszentren verbummeln, alle zwei Wochen ihr Aussehen ändern und vom Geld ihrer Eltern leben. Aber dann wurde ich von einer meiner Kontaktpersonen korrigiert: »Ich kenne in diesem Land viele Frauen, die einkaufen«, schrieb sie. »Aber ich habe keine einzige koreanische Freundin, die ›abhängt‹. Das tut man einfach nicht.« Stattdessen rasen sie eigentlich immer irgendwohin zum Studium oder zur Arbeit.
Die wirkliche Gefahr für den Pfefferpastenmann ist heutzutage nicht die Sojapastenfrau, sondern eher ihr Gegenteil. Diese Frau lockt ihn nicht von seinen Prüfungen weg, weil sie selbst viel zu fleißig studiert, und sie ist schon nach wenigen Jahren nicht mehr auf sein Geld angewiesen, um sich ein Essen oder eine Designerhandtasche zu kaufen. Das Problem, das Asien heute droht, sind nicht die Gefahren der Verführung, sondern die Bedrohung durch sexuelle Gleichgültigkeit in großem Maßstab. In einer Vielzahl asiatischer Länder einschließlich Südkoreas haben sich die neue Eva und der alte Adam einer genauen Musterung unterzogen, und sie sind beide zu dem Schluss gekommen, dass der andere ein völlig ungeeigneter Lebenspartner für sie ist. Auf diese Weise ist eine Region der »einsamen Herzen« entstanden, wie der Economist kürzlich konstatiert hat. Japan ist den anderen Ländern in Bezug auf das Phänomen ein paar Jahre voraus, und dort sind die Zustände inzwischen geradezu grotesk: In einer staatlichen Umfrage sagten 61 Prozent der unverheirateten Männer zwischen achtzehn und vierunddreißig, dass sie keine Lebensgefährtin hätten, und fast 50 Prozent, dass sie keine wollten. Die Tourismusindustrie hat damit begonnen, Urlaubsorte, wo einst Hochzeitspaare weilten, für gleichgeschlechtliche Gruppen umzurüsten. Die Männer kommen oft mit einer digitalen Freundin auf dem Handgerät, die genau auf sie zugeschnitten ist, oder mit einem körperlangen Kissen, das mit dem Bild einer Frau geschmückt ist.
Stephanie Kim und Kirsten Lee sind
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