Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
sie ein Feldwebel wäre«. Troy stößt die Tür auf, damit Brandon zu ihm ins Schlafzimmer rennen und auf ihn draufspringen kann.
Troy ist ein emotionaler Typ, der mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg hält – »als ob ich halb schwul wäre oder so«, witzelt er. Er hat sich »Shannon« und »Brandon« auf den rechten Arm tätowieren lassen – das ist seine Version von »bis dass der Tod uns scheidet«. Er erzählt immer, er sei »verheiratet«, damit meint er aber nur, dass er in festen Händen ist, denn auf das »verheiratet« folgt immer der Zusatz »hier drin« mit der Hand auf dem Herzen. Shannon und Troy haben schon oft darüber geredet, was für ein tolles Fest ihre Hochzeit werden würde, Shannon hat sich sogar schon einmal ein Kleid ausgesucht – ein tief ausgeschnittenes Spitzenkleid, ähnlich dem, das sie für Julia zeichnete. Aber irgendwie kommt es nie zur Hochzeit.
Shannon arbeitet Teilzeit bei Walmart, damit sie nachmittags und abends eine Ausbildung zur Krankenschwester am örtlichen Community College machen kann. Um das restliche Einkommen aufzubringen, das die kleine Familie benötigt, arbeitet sie als Stripteasetänzerin in Birmingham, wo sie manchmal 250 Dollar pro Nacht verdient. Troy ist davon nicht begeistert, »weil sie da Ärzte und Rechtsanwälte trifft, die mehr Geld verdienen als ich. Die viel mehr Geld verdienen als ich.« Aber selbst er kann rechnen: Direkt nach Brandons Geburt gab es eine Zeit, in der beide nicht arbeiteten und er 10 Dollar von seiner Mutter, Shannons Schwester und seinen beiden Freunden leihen musste, um die Woche zu überstehen. Sechs Monate lang lebten sie von Sozialhilfe – »wir sind die Ersten in meiner Familie«, wie er sagt. Mit 250 Dollar an drei Tagen in der Woche kann man eine große Kiste voller Lebensmittel und Windeln kaufen, es bleibt sogar noch Geld übrig für ein paar Mahlzeiten bei McDonald’s und Bier. Der einzige Nachteil ist der, dass Shannon immer viel zu viel zu tun und keine Zeit fürs Einkaufen hat. Das bedeutet, dass Troy ihre Handschrift auf dem Einkaufszettel entziffern muss. Im Supermarkt kann er niemanden fragen, weil »in jeder Regalreihe nur Kerle unterwegs sind«.
An den Abenden, an denen Shannon strippt, lenkt er sich meistens mit einem Footballspiel im Fernsehen ab, oder er geht mit ein paar Kumpels in der Stadt ein Bier trinken. Trotzdem kommt er an manchen Abenden ins Grübeln. Troys Lieblingsausdruck ist »kein Kerl«, den er aber oft widersprüchlich verwendet. Manchmal prahlt er damit – »Kein Kerl würde bei meiner Frau nein sagen, selbst wenn er schwul wäre«, sagt er beispielsweise und zählt all die körperlichen Vorzüge seiner »brandheißen« Frau auf. Manchmal verrät die Formulierung aber auch seine eigene demütigende Situation: »Kein Kerl würde sich das von seiner Frau gefallen lassen«, meint er und denkt daran, dass Shannon vor kurzem an drei Nächten hintereinander erst um vier Uhr nach Hause kam, ohne ein Wort der Erklärung.
»Kein Kerl würde das tun« bezieht sich auf Nacht Nummer drei, als er auf Shannon wartete und sie dann würgte, bis sie bewusstlos wurde. »Das war mein absoluter Tiefpunkt«, sagt er. Zur Wiedergutmachung kaufte er ihr ein Halsband mit einem großen Silberherzen, um die Würgemale zu verdecken.
Troy sagt gern, sie hätten eine » Jerry Springer- Beziehung«, was heißt, dass die beiden oft streiten. Dabei geht es fast immer nur um zwei Themen: Sex und Arbeit. Troy beschwert sich, dass sie, als sie sich kennenlernten, »es dreimal am Tag machten, und jetzt heißt es immer ›ich hab Kopfweh, meine Füße tun weh, Brandon war die ganze Nacht wach, ich hatte Streit mit meiner Mutter‹«, erzählt er. »Ich meine, also bitte, alles muss perfekt passen. Aber das ist doch keine Mondlandung oder so. Wir haben doch nur Sex!« Shannon beschwert sich, dass Troy nie Geld verdient. Aber noch mehr ärgert sie sich, wenn er stattdessen immer mal wieder einen Zeitungsausschnitt mitbringt, in dem es heißt, dass in einem der alten Russell-Fabrikgebäude dieser oder jener kleine Betrieb die Arbeit aufnehmen würde. »Vergiss es endlich!«, schreit sie dann, weil sie weiß, dass er in den Erinnerungen seines Vaters lebt, in den guten alten Zeiten, als Russell noch die Trikots für Sportlerlegenden wie Bo Jackson oder William »The Refrigerator« Perry fertigte. »Troy, im Ernst. Vergiss es.« Sie sagt das wie zu jemandem, der noch Phantomschmerzen in seinem amputierten Bein hat. Shannon
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