Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
reagiert auf dieses Wunschdenken auch deshalb so ungeduldig, weil sie gerade wieder schwanger ist. Man sieht noch nichts, und sie hat es auch noch nicht ihrer Mutter erzählt. Sie ist sich sicher, dass es ein Mädchen wird; sie hat das sogar in ihr Tagebuch geschrieben, weiß schon einen Namen (Eliza) und malt sich in einer Handschrift, die sich seit der Highschool kaum verändert hat, eine wunderbare Zukunft aus: Am Tag von Elizas Abschlussfeier an der Benjamin Russell High School erfährt sie, dass sie einen Studienplatz an der Universität hat (der Auburn University, um genau zu sein), und Elizas Vater (der in der Geschichte aus unbekannten Gründen nicht Troy, sondern Thomas heißt) ist der Letzte, der das Aufnahmeschreiben sieht, weil er spät von der Arbeit nach Hause kommt.
Ein Jugendlicher, der in Alexander City aufwächst, vor allem ein Jugendlicher, der nichts mit lauten, stickigen Fabriken und Textilien zu tun haben will, sondern ein anderes Leben führen möchte, das er vielleicht aus dem Fernsehen kennt, träumt davon, nach Auburn zu gehen, das etwa 45 Autominuten in südöstlicher Richtung liegt. So war es schon immer, selbst noch vor der Schließung von Russell, weil Auburn in der beschränkten Geografie eines Teenagers die nächste Stadt mit einem richtigen Kino und einem Einkaufszentrum ist. Dort gibt es eine Universität mit einer eigenen Footballmannschaft, Studenten aus aller Welt und einen Laden von Gap an der Haupteinkaufsstraße, die vom Campus wegführt. Die Jugendlichen in Alexander City reden über Auburn, als wäre die Stadt so exotisch und glamourös wie New York. Wie alle, die an der Benjamin Russell High School einen sehr guten Abschluss machen, zog auch Connies Tochter Abby direkt nach der Schule nach Auburn.
Überall im Osten Alabamas gilt Auburn als die Stadt, die es richtig gemacht hat, die im Gegensatz zur übrigen Region die Schwierigkeiten gemeistert und ihre Zukunft so geplant hat, dass sie auch in der modernen Wirtschaft Bestand hat. In den umliegenden Bezirken lag die Arbeitslosigkeit während der Rezession im zweistelligen Bereich, in manchen erreichte sie sogar 18 Prozent. Doch Lee County, zu dem Auburn und die Schwesterstadt Opelika gehören, hat der Rezession getrotzt und weist heute eine mäßige Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent auf, die weit unter dem nationalen Durchschnitt liegt.
Was ist in Auburn anders? Ein Teil der Antwort ist offensichtlich: Die Stadt hat eine blühende Universität, die seit knapp 150 Jahren die Grundlage für Auburns Wirtschaft bildet. Schaut man jedoch genauer hin, ist man überrascht – nicht nur ich, sondern auch die Stadtoberen waren verblüfft, weil die Antwort das Selbstbild dieser Stadt (die immerhin in den Südstaaten liegt) gründlich hinterfragt. Auburn wurde zum wirtschaftlichen Zentrum der Region, weil hier die Frauen dominieren.
2010 stieß der Marktforscher James Chung auf Datenmaterial, das eine ganz neue Zukunft für Amerika verhieß. Er untersuchte 2000 Metropolregionen in den USA , die 91 Prozent der Bevölkerung abdeckten. In 1997 Regionen hatten junge Frauen ein höheres Durchschnittseinkommen als junge Männer. Das galt in großen wie kleinen, armen wie reichen Städten. Chungs Erkenntnisse schafften es bis auf den Titel des Magazins Time, er selbst wurde zum Verkünder einer sich rasch entwickelnden geschlechterbedingten Umwälzung. »Diese Frauen haben die Männer nicht nur eingeholt«, sagte mir Chung. »In vielen Städten übertrumpfen sie die Männer bereits. Wir wissen schon lange, dass mehr Frauen als Männer einen Universitätsabschluss machen, die Frage war nur: Wirkt sich das auch in Form von mehr wirtschaftlicher Macht aus? Jetzt haben wir die Antwort. Diese Generation von Frauen hat sich der Umstrukturierung der Wirtschaft besser angepasst als die gleichaltrigen Männer.«
Im Frühjahr 2011 rief ich Chung an und fragte, ob eine der Regionen eine besonders hohe Disparität aufweise. »Ja«, antwortete er. »Eine Region namens Auburn-Opelika.« Auburn Opa-was? Wie sich herausstellte, lag das Durchschnittseinkommen der dortigen Frauen zu 140 Prozent über dem der Männer. Ich konnte es kaum fassen. Nach all den Jahren hatten wir das feministische Paradies gefunden, es lag in einer kleinen Universitätsstadt im tiefen Süden der USA , einer Stadt, wo auf zwölf Menschen immer noch eine Kirche kommt und an drei von sieben Tagen ein Artikel über die Footballmannschaft die Titelseite der Zeitung in Beschlag
Weitere Kostenlose Bücher