Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
ihren rauen Umgangston und Handgreiflichkeiten berühmt ist. Die Mädchen würden einander Prügel androhen – viel häufiger als die Jungen untereinander. Sie erwähnte auch den »sprunghaften Anstieg von Schwangerschaften« – in jenem Jahr waren zwölf Mädchen auf der Highschool und ein paar mehr auf der Mittelschule schwanger geworden, »obwohl wir ihnen Keuschheit und das alles beibringen«. Auch Connie ist aufgefallen, dass nicht mehr nur die afroamerikanischen Mädchen aus armen Verhältnissen bereits auf der Highschool schwanger werden. Früher waren sie diejenigen, die »matriarchalischer dachten, wie man wohl dazu sagt, aber heute ticken alle so«.
In der Woche, in der ich die Schule besuchte, waren Gänge und Aufenthaltsräume für die Schulwahlen geschmückt, mit bunten Plakaten, die dafür warben, Rosie als Vizepräsidentin, Anna Lee als Präsidentin, Lindsey als Schriftführerin, Marie Grace als Schatzmeisterin oder Kaydee als Stellvertreterin zu wählen – unter den Kandidaten war kein einziger Junge. Wagoner verfolgt in erster Linie das Ziel, ihre Schulabsolventen aufs College vorzubereiten; heutzutage beginnen die Beratungen fürs College in der zehnten Klasse, wo sich erfolgreiche Absolventen vorstellen und von ihrer Karriere erzählen. Aber irgendwie erreicht sie die Jungen nicht mehr. »Sie glauben immer noch: ›Ich muss nicht studieren. Ich arbeite einfach bei Russell.‹ Als ob es die Firma noch gäbe! Aber irgendwie bringen wir sie nicht davon los.« Die Stadt finanziert jedem Schüler, der seine Ausbildung fortsetzen will, zwei Jahre am Community College. Wagoner stellte verblüfft fest, dass 65 Prozent der Jugendlichen, die das Angebot nutzen, weiblich sind. Außerdem brechen viele Jungen nach einem Jahr ab. »Diese Zahl ist mir wirklich ins Auge gesprungen«, erzählte mir Wagoner. »Ich weiß nicht, wohin die Jungen gehen oder was mit ihnen passiert. Ich glaube, sie sind einfach nicht motiviert.«
Noch vor ein paar Jahren war Shannon eines der Mädchen, die in Connies Unterricht romantische Bilder zeichneten. Mit Buntstiften malte sie Julias Wangen mit einer Farbe aus, die, wie sie sich erinnert, »rosenrot« hieß, und auch das Kleid, das sie zeichnete und das, wie sie heute meint, vielleicht einen etwas zu tiefen Ausschnitt hatte, war rosé. Auf dem Bild liegt Julia auf einem weichen Bett und lächelt im Schlaf. Romeo, der ein bisschen aussieht wie Johnny Depp, schaut sie eher bewundernd als verzweifelt an. Shannon machte damals eine Farbkopie von ihrer Zeichnung und schenkte sie ihrem Freund Troy zum Valentinstag. Wenn sie Troy heute Papier in die Hand drückt, ist es eher ein Stück Küchenrolle, damit er sich die öligen Hände abwischt, wenn er mal wieder versucht, das Auto zu reparieren, oder ein Papiertaschentuch, damit er ihrem gemeinsamen Sohn Brandon die Nase putzt. Shannon sagt heute, sie hätte »zwei kleine Kinder daheim, und ich bin mir nicht sicher, welches von beiden mehr Arbeit macht«.
Um elf Uhr vormittags an einem Mittwoch sieht Shannon, wie unter der Schlafzimmertür Zigarettenrauch durchdringt. Das heißt, dass Troy aufgewacht ist. Ihr dreijähriger Sohn Brandon ist bereits seit vier Stunden wach und »verwüstet das Haus«. Zu dritt leben sie in einem Wohnwagen ein Stück ab von der Straße, etwa eine Meile entfernt von dem Gelände, wo die Sozialwohnungen der Stadt versteckt sind. Nachts, wenn Brandon schläft, wirkt der Wohnwagen groß genug, aber wenn es zu heiß ist, um draußen zu spielen, und sie ihn drinnen beschäftigen muss, ist es die Hölle. »Ta-Ti, Ta-Ti!«, sagt Brandon, weil auch er weiß, was der Rauch bedeutet. Gelegentlich nennt er Troy »Daddy«, aber das will Shannon nicht, sie sagt, er sei erst ein Daddy, wenn er sich auch so benehme, und zwar »von Montag bis Sonntag, und nicht nur, wenn er Lust dazu hat«.
Troy bringt Brandon zum Lachen, er ist darin »besser als SpongeBob«, und er kann Shannon beruhigen, wenn sie jemandem bei der Arbeit am liebsten einen linken Haken verpassen würde. Was er nicht gut kann, ist Geld verdienen. Letzten Monat hat er genau vier Tage gearbeitet, er hat einem Freund geholfen, eine Veranda für eine Familie in Auburn zu bauen. Ansonsten gibt er lieber Geld aus, meistens für Zigaretten und Benzin. Vor einem Jahr bekam er einen Job als Putzkraft bei Walmart, kündigte aber schnell wieder, weil seine Chefin angeblich eine Sklaventreiberin war, die ihn zwang, »die Türknäufe mit Spucke zu polieren, als ob
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