Das Ende der Nacht: Horror-Roman
Eingang.
„Was ist hier eigentlich passiert?“, fragte der eine.
„Ein Mann hat auf seine Frau und seine drei Kinder geschossen. Ob sie tot sind, konnte er nicht feststellen. Dann rief er...“
Die beiden Ärzte waren im Haus verschwunden. Christina und Michelle schauten sich an. Schließlich nickten sie sich zu und gingen weiter. Als Schaulustige wollten sie ihren Abend wirklich nicht verbringen.
Während des Rückwegs unterhielten sie sich über ungewöhnliche Sex-Praktiken und beschlossen, dass Sex vor den Augen einer Klasse oder eines Seminars sie reizen würde. Als sie zurück im Haus der Baumeisters waren, stellten sie fest, dass sie den Film hatten laufen lassen. Nur wenige Knopfdrucke und er begann von vorn. Wieder auf dem Sofa und im Sessel, zündeten sie sich Zigaretten an. Erst dann peitschten die ersten Tropfen gegen die Fenster und ein Regen setzte ein, der die beiden zuvor verschont hatte.
II
Michelle war gleich aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. Zur Begrüßung an der Tür gab Steven ihr nur einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und torkelte sogleich ins Wohnzimmer und sagte: „Wo ist das Bier?“ Kein „Hi Baby“, keine leidenschaftlichen Berührungen, nur ein unbehagliches Gefühl blieb bestehen. Und Michelle fiel auf, dass er nicht einmal seine Lippen geschürzt hatte, einfach seinen Mund an den ihren gepresst, eine einzige grobe Bewegung, die ebenso schnell vorbei gewesen war.
Maik und Christina hingegen legten eine filmreife Begrüßungsszene hin. Er führte eine Hand unter ihr T-Shirt und Michelle sah die Knöchel durch den Stoff, wie sie sich bewegten, als er ihre rechte Brust knetete, als wollte er seine Freundin gleich auf der Türschwelle nehmen. Auch das stimmt nicht. Auf die Handlungen der Jungs reagierte Michelle mit einem Ekel, den sie nicht von sich schütteln konnte.
„Habt ihr jetzt noch Bier, oder was?!“, rief Steven aus dem Wohnzimmer. Die Stimme eines kleinen Jungen, der nicht das zum Spielen bekam, was er wollte. Ungeduldig, ein Arschloch eben, sobald er erwachsen war. Michelle reichte es. Sie verließ die Küssenden, Christina hatte ihre Hand schon an Maiks Hose, und lief ins Wohnzimmer. Dort erblickte sie ihren Freund, wie er auf dem Sofa versuchte, aus den leeren Dosen noch ein Schluck heraus zu holen. Er hob sich jede einzelne an die Lippen und legte seinen Kopf in den Nacken und schlürfte. Dabei schürzte er die Lippen. Das kann doch nicht wahr sein!
„Was bildest du dir eigentlich ein, du Arschloch?“
„Was ist denn, Michelle? Gefällt dir das nicht?“
Steven holte mit der leeren Dose in der Hand aus und warf sie mit Wucht in die anderen auf dem Tisch. Einige von ihnen fielen dabei zu Boden, andere wurden in einem hohen Bogen gegen den Fernseher und die Wand dahinter geschleudert. Wenige Tropfen rutschten nun über den Bildschirm und die Tapete.
„Da war ja doch noch was drin“, stellte er fest und lachte.
„Was soll das, verdammt?“
Steven blieb auf dem Sofa sitzen und klopfte neben sich auf die freie Stelle.
„Komm' mal her“, sagte er.
„Fick dich“, sagte sie und Steven lachte noch lauter. Sie kannte ihn zwar schon länger und sie wusste, dass er zu aggressiven Ausbrüchen neigte, aber noch nie hatte er sie angegriffen, nicht einmal beleidigt. Und es lag eindeutig in der Luft, dass bald beides geschehen konnte. Was sollte sie tun? Weil sie keine Antwort darauf wusste, blieb sie ratlos neben dem Sofa stehen und sagte nichts mehr, bis Christina und Maik in das Wohnzimmer traten. Christina ging vor ihrem Freund und schleifte merkwürdig über den Boden. Jeder ihrer Schritte schien ihr Schmerzen zu bereiten. Ihr Gesichtsausdruck war verzerrt, die Augen weit aufgerissen. Michelle sah sie besorgt an.
„Was ist denn, Tini?“
„Er hat...“, hauchte sie. Maik stieß sie nach vorne und sie fiel hart zu Boden. Wie eine menschengroße Puppe ohne Leben. Jetzt sah Michelle das Messer in Stevens rechter Hand, von dem rote Flüssigkeit tropfte. Ein Armeemesser, das er noch von seiner Zeit bei der Bundeswehr und das er schon öfters stolz präsentiert hatte. Nie hätte sie daran gedacht, dass er es mal gegen seine Freundin benutzen würde.
Michelle schrie auf und starrte auf ihre am Boden liegende Freundin. Das warme, angetrunkene Gefühl wurde durch klare Nüchternheit ersetzt. Sie wollte zu ihr stürzen, sich um sie kümmern, schauen, ob sie noch lebte, aber etwas anderes in ihr riet, genau dort zu verharren, wo sie war.
Weitere Kostenlose Bücher