Das Ende der Nacht: Horror-Roman
er konnte jetzt das Gespräch mithören. Eine männliche Stimme und eine erschöpfte, weibliche, seine Frau. Wenn das noch möglich war, so steigerte sich seine Aufregung noch.
„Ihr Sohn ist auf der Kinderstation zur Zeit besser aufgehoben. Es müssen noch einige medizinische Daten überprüft werden.“
„Sie sind der Fachmann, Doktor Liebert.“
„Sie sagen es, Frau Baumeister. Muriel! Bringen sie bitte den Kleinen auf die Kinderstation.“
„Aber gern“, ertönte eine dritte Stimme in dem Moment, als Xaver das Zimmer erreicht hatte. Beinahe wäre er mit der dicken Krankenschwester, die das Baby auf ihren Armen trug, zusammen gestoßen. Sein Baby!
„Entschuldigung“, entfuhr es Xaver kurz, „Ist das mein Sohn?“
Das Baby schlief fest. Seine weiche, rosafarbene Haut glänzte im grellen Schein der Krankenhauslichter. Das pummelige Gesicht wirkte friedlicher als alles, was Xaver je gesehen hatte.
Maria hatte die Stimme ihres Mannes erkannt und antwortete für Muriel: „Ja, Schatz, das ist er. Ist er nicht wunderbar?“
„Ja, das ist er“, erwiderte Xaver ohne seinen Sohn aus dem Blick zu verlieren. „Darf ich ihn halten?“
Doktor Liebert stellte sich neben die Krankenschwester. Ein mittelalter Mann mit gräulichem Haaransatz von fast dürrer Gestalt. Das Gegenteil der dicken Frau.
„Sie sind Herr Baumeister?“, fragte er.
„Ja.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen.“
Der Arzt reichte Xaver die Hand. Die zweite, seit er vom Bankett geflüchtet war. Dabei hatte er gedacht, er war dem Händeschütteln entkommen. Und noch immer konnte er seine Augen nicht vom Anblick des Babys abwenden. Dafür habe ich also all die Jahre gelebt.
„Herr Baumeister“, begann der Doktor und bedachte Xaver mit einem skeptischen Blick. Seine Hand legte er wieder an seine Taille. „Ihr Sohn muss nun vorübergehend auf die Kinderstation gebracht...“
„Ich habe das Gespräch mit angehört“, unterbrach Xaver den Arzt. „Nun, später werde ich wohl noch genug Gelegenheit haben, meinen Sohn in die Arme zu schließen.“ Xaver lächelte. Aber es wirkte so hohl wie vorhin im Wagen.
„Das denke ich auch. Jetzt ist wichtig, dass es dem Frühchen richtig gut geht. Ich lasse Sie jetzt alleine mit Ihrer Frau. In ein, zwei Stunden werde ich dann vorbeischauen und Sie abholen.“
Nach diesen Worten folgten der Arzt und die Krankenschwester den Gang in Richtung Fahrstuhl. Xaver betrat das Krankenzimmer und schloss die Tür.
„Hallo, mein Schatz.“ Obwohl sie sehr erschöpft war, strahlten ihre Augen und ihr Lächeln war echt. Maria so verschwitzt und ohne Kraft zu sehen erweckte in Xaver ein Gefühl, das er nicht erwartet hatte: Ekel. So würde er sie nicht anfassen, lieber würde er...
„Wir haben es überstanden“, fuhr sie fort, „er ist da und kerngesund.“
„Ja“, entfuhr es ihm knapp. Seine Augen bohrten sich nun mit starrem Glanz in die ihren. Kein Gedanke mehr, wer da vor ihm war.
„Was ist mit dir, Xaver? Hast du etwas? Ist dir nicht gut oder war das Bankett so schlimm?“
„Ja und nein, mein Schatz, ich habe das hier.“
Was zum Teufel geschieht mit mir? Ich muss...
Er griff mit der rechten Hand in die linke Innenseite seines Jacketts. Einen Moment hielt er inne. Was mache ich da? Ich muss... Seine Hand glitt wieder hinaus, dann ging er zu Maria ans Bett. Seine Frau setzte sich auf, was ihr schwer fiel. Sie blickte zu ihm hinauf. Diesen Ausdruck kannte Xaver. Er sollte sie nun küssen und er wollte es. Aber etwas in ihm wollte noch etwas anderes. Xaver drückte sie tiefer ins Kissen zurück.
Eifersucht. Ja, ein Thema, das ich nur schwer ertragen kann. Jetzt, in diesem Moment möchte ich am liebsten...
„Schatz“, sagte er, „ich weiß, was passiert ist. Und ich weiß, woher unser Sohn kommt.“
Marias Lächeln erstarb auf ihren Lippen. Stattdessen weiteten sich die Augen. Dieser Blick gefiel ihm schon besser.
„Was meinst du damit, Xaver?“
„Tu nicht so, als ob du nicht wüsstest. Wir schliefen in den letzten drei Jahren höchstens ein Dutzend mal miteinander. Ich war dir nicht mehr gut genug.“
„Xaver, ich...“
Jetzt, Xaver! Jetzt oder nie!
Xaver sprang auf das Bett, setzte sich auf seine Frau und verschränkte ihre Arme unter seinen Beinen. Dann riss er das Kopfkissen hinter ihrem Kopf hervor und drückte es fest auf ihr Gesicht. Maria hatte keine Zeit mehr zu schreien, nur ein leises Stöhnen entkam ihrem Mund. Seine Kehle war wie zugeschnürt und er spürte
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