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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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die vermeintliche staatliche »Abzocke«. Dagegen finden die Überwachungseffekte von Mautsystemen eher weniger öffentliche Beachtung. Jedes Mautsystem, das eine zeit- und streckenbezogene Abrechnung vornimmt, impliziert aber die individuelle Registrierung der einbezogenen Fahrzeuge. Trotzdem ist die Eignung von Mautsystemen zur Überwachung höchst unterschiedlich. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen.
    Bereits in den Neunzigerjahren wurde darüber diskutiert, wie sich bei Mautsystemen Verletzungen des Datenschutzes vermeiden lassen. Die 2004 eingeführte deutsche LKW-Maut führt zu umfangreichen Datensammlungen: bei der Buchung bestimmter Wegstrecken über das Internet oder am Zahlungsautomaten, in der im Fahrzeug eingebauten On Board Unit (OBU) und bei der Überwachung der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut. Die OBU registriert die zurückgelegten Strecken und übermittelt per Mobilfunk den Zahlungsstatus des Lkws an Toll Collect. Zur Überwachung der Zahlung wird zwischen der OBU und der Kontrollbrücke eine Funkverbindung aufgebaut, und die Kfz-Kennzeichen werden automatisch gelesen. Dabei werden nicht ausschließlich die Kennzeichen der zahlungspflichtigen Lkws erfasst, sondern die von allen die Kontrollbrücke passierenden Fahrzeugen. Allerdings werden die Digitalfotos der Pkws bereits nach Sekunden überschrieben. Auch die Daten nicht zahlungspflichtiger Lkws und die Daten der Lkws, für die die Maut entrichtet wurde, werden in der Überwachungsbrücke nach kurzer Zeit gelöscht. Die Daten aller Zahlungsvorgänge und die Daten erkannter bzw. vermuteter Nichtzahler werden allerdings zunächst zum Servicecenter von Toll Collect übertragen und landen schließlich zu Dokumentationszwecken beim Bundesamt für Güterverkehr, wo sie erst nach mehreren Jahren gelöscht werden.
    Als Reaktion auf die umfangreiche Datensammlung nahm der Bundestag eine strikte Zweckbindung dieser Daten in das Autobahnmautgesetz auf. Nach diversen Kapitalverbrechen, in die schwere Lastwagen beziehungsweise ihre Fahrer verwickelt waren, geriet diese Regelung 2005 unter Beschuss. So forderten Bundesinnenminister Schäuble und der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz, die Verwendung der Mautdaten zu Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zu erlauben. Wolfgang Schäuble setzt sich zudem für die präventive Nutzung der Mautdaten durch die Polizei ein, obwohl es nicht einmal seriöse Szenarien geschweige denn Erfahrungen gibt, wie sich damit Verbrechen oder Gefahren abwenden lassen.
    Die Mautdiskussion offenbart ein Dilemma, vor dem die Datenschützer nicht nur hier stehen. Zweckbindungsvorschriften – mögen sie noch so gut formuliert sein – geraten dann unter Beschuss, wenn die gesammelten Daten für andere wichtige Zwecke nützlich sein können. Wenn der Datenschutz dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Polizei einen Serienmörder nicht fassen kann, zählen Datenschutzargumente wenig – mögen sie noch so begründet sein. Wenn sich Datenschützer auf die partielle Auflockerung der Zweckbindung einlassen, etwa zur Verfolgung schwerster Straftaten, besteht die Gefahr, dass damit letztlich die Tür für zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten geöffnet wird. Umso wichtiger ist es deshalb, technische Systeme so zu gestalten, dass sie wenig oder gar keine personenbezogene Daten erfassen. Nicht vorhandene Daten wecken jedenfalls keine Begehrlichkeiten. Ein solcher vorbeugender Datenschutz ist wesentlich nachhaltiger als die gesetzliche Einhegung riesiger Datenbestände. Die Frage nach der datenschutzfreundlichen Gestaltung von Mautsystemen wird sich spätestens dann stellen, wenn die Autobahnmaut auf weitere Fahrzeuge, insbesondere Pkws, ausgeweitet wird oder wenn über die Citymaut nachgedacht wird. Dabei sollte das bisherige Lkw-Mautsystem nicht eins zu eins übertragen werden. Vielmehr könnten hier anonyme Prepaid-Modelle zum Einsatz kommen, bei denen lediglich der Zahlungsstatus an Kontrollstellen erfasst wird. Die Speicherung der Zahlungsdetails und weiterer Angaben – etwa zu den zurückgelegten Strecken – sollte ausschließlich in der OBU im Fahrzeug selbst erfolgen und nicht in Datenbanken des Systembetreibers. Nur in den Fällen, in denen die Maut nicht entrichtet wurde, sollte anhand des Kfz-Kennzeichens der Fahrzeughalter ermittelt werden.

Projekt Fotofahndung
     
    Im Jahr 2006 startete das Bundeskriminalamt am Mainzer Hauptbahnhof ein groß angelegtes Projekt, mit dem die Möglichkeiten ausgetestet werden sollten,

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