Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
anhand von Referenzaufnahmen einzelne Personen aus einem Passantenstrom herauszufiltern. Die Projektbezeichnung »Fotofahndung« verdeutlicht, dass es sich dabei um Systeme zur automatisierten optischen Identifikation von Passanten in Alltagssituationen handelt und nicht etwa um die Verwendung biometrischer Erkennungsverfahren bei Zugangs- oder Grenzkontrollen. Bei dem Projekt wurde getestet, ob Personen automatisch und zuverlässig mit den auf dem Markt erhältlichen Gesichtserkennungssystemen erkannt werden können. Hierzu wurden Gesichtsbilder von freiwilligen Teilnehmern aufgenommen und zum späteren Abgleich in einer Datenbank gespeichert. Die eingesetzten biometrischen Gesichtserkennungssysteme verglichen die Gesichter aus der Menge der vorbeigehenden Passanten mit diesen gespeicherten Bilddaten. Allerdings erbrachte dieser erste größere Feldversuch nur mäßige Ergebnisse – je nach Lichtverhältnissen wurden nur zehn bis sechzig Prozent der Testteilnehmer zuverlässig erkannt. Noch ist die Fotofahndung deshalb für polizeiliche Zwecke weitgehend ungeeignet, wie BKA-Chef Jörg Ziercke im Juli 2007 zugeben musste. Trotzdem ist zu befürchten, dass derartige Systeme in einigen Jahren – nach Behebung der technischen Mängel – auf breiter Basis zum Einsatz kommen werden. Aber selbst wenn eine sichere Identifizierung möglich sein sollte, wäre der Einsatz dieser Technik durch die Polizei allenfalls in solchen Fällen datenschutzrechtlich vertretbar, in denen die Voraussetzungen einer polizeilichen Fahndungsausschreibung gegeben sind.
Die Kombination von Videotechnik mit biometrischen Erkennungsmethoden ist besonders brisant, weil immer mehr öffentliche und private Institutionen und Unternehmen digitalisierte Gesichtsbilder speichern (vgl. 2.7). So sollen zukünftig bei allen Ausländern, die neu in das Ausländerzentralregister aufgenommen werden, auch digitalisierte Gesichtsbilder erfasst werden. In der Visadatei, im Pass- und im Personalausweisregister werden zudem die bereits vorhandenen Fotos digitalisiert. Schließlich verwenden auch private Stellen digitale Gesichtsbilder zur Zugangskontrolle.
Wenn die Technik ausgereift ist, könnte die automatisierte Fotofahndung bei Demonstrationen ebenso zum Einsatz kommen wie bei der Überwachung von Passanten an beliebigen öffentlichen Orten. Es ließe sich feststellen, wer an einer Kundgebung teilgenommen hat und wer von wem begleitet wird. Ein derartiges umfassendes Überwachungssystem scheitert zwar heute noch an technischen Schwierigkeiten. Es erscheint jedoch fast sicher, dass diese Probleme in den kommenden Jahren gelöst werden können. Zudem wissen wir aus Erfahrung, dass (fast) alles, was an Überwachung möglich ist, letztlich auch gute Realisierungschancen hat.
Mit der Gesichtsidentifikation sind die zukünftigen Möglichkeiten der Auswertung von Videoaufnahmen nicht erschöpft. Videosysteme könnten die Gesichtsmimik, die Körperhaltung oder auch die Transpiration messen. So wurden an US-amerikanischen Flughäfen bereits Versuche durchgeführt, anhand dieser Merkmale potenzielle Terroristen zu erkennen. Veröffentlichungen über die Resultate sucht man allerdings bislang vergeblich.
Angesichts dieser Zukunftsperspektiven ist es grob fahrlässig, wie vielfach über die Einführung von Video-überwachungssystemen entschieden wird. Immer wieder werden dabei Sicherheitsgewinne versprochen, die sich bei näherer Prüfung verflüchtigen. Wir sollten uns nicht scheuen, die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Zugleich müssen die technischen Möglichkeiten verbessert werden, den Missbrauch von Videoaufnahmen zu begrenzen. Wenn es nur um Verkehrsüberwachung oder um die Erstellung von Lagebildern geht, besteht gar keine Notwendigkeit, die aufgenommenen Personen elektronisch zu identifizieren. Hier ermöglicht es die digitale Videotechnik bereits heute, Gesichter auf Videoaufnahmen gezielt unscharf aufzunehmen. Leider wird von derartigen datenschutzfreundlichen Techniken bisher kaum Gebrauch gemacht.
2.6 Gesundheit aus dem Netz?
»Bitte suchen Sie unverzüglich einen Arzt auf. Ihre Blutwerte haben sich besorgniserregend verschlechtert!« oder »Verringern Sie Ihren Alkoholkonsum. Andernfalls müssen Sie mit einer deutlichen Erhöhung Ihrer Versicherungsprämie rechnen.« – Vielleicht sind derartige automatisierte Warnmeldungen ja in Zukunft alltäglich, wenn erst eine umfassende elektronische medizinische Infrastruktur etabliert ist. Noch
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