Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
Vom Netzwerk:
werden zumeist gespeichert und können nachträglich ausgewertet werden.
    Häufig wird nicht einmal geprüft, ob die Videoüberwachung im konkreten Fall Erfolg versprechend ist. Ebenso wenig wird der Frage nachgegangen, ob sich mehr Sicherheit vielleicht sogar besser durch alternative Ansätze erreichen ließe. So kann die Sicherheit in einer dunklen Eisenbahnunterführung möglicherweise durch eine verbesserte Beleuchtung weitaus stärker erhöht werden als durch die Installation einer Videokamera. Anstatt dass man sich mit derartigen vermeintlich lästigen Überlegungen abgibt, werden spektakuläre Einzelfälle als Beweis dafür ausgegeben, dass mehr Videoüberwachung mit einem Gewinn an Sicherheit gleichzusetzen sei. Als »Beweise« müssen etwa die Bombenanschläge auf die Londoner U-Bahn 2005 und die gescheiterten Kofferbombenattentate auf Regionalbahnen in Nordrhein-Westfalen 2006 herhalten. Dabei wird bisweilen übersehen, dass hier und in anderen Fällen die Videotechnik zwar zur Aufklärung von Straftaten beigetragen hat, die Anschlagsvorbereitungen aber nicht aufgedeckt bzw. die Anschläge nicht vereitelt hat.
    Eine Vielzahl von Studien beschäftigt sich mit der Wirksamkeit der Videoüberwachung. 20 Die meisten Untersuchungen belegen, dass der Beitrag der Videotechnik zur Prävention bescheiden ausfällt, jedenfalls bescheidener als von den Befürwortern versprochen. So hat die Installation einer Videokamera auf einem öffentlichen Platz praktisch kaum Auswirkungen auf die Kriminalstatistik. Allenfalls werden bestimmte Kriminalitätsformen in die Seitenstraßen verdrängt. Lediglich in bestimmten besonders gefährdeten und unübersichtlichen Bereichen, etwa in Parkhäusern, lässt sich mittels Videotechnik ein signifikanter Sicherheitsgewinn erzielen.
    Videotechnik soll häufig Personal ersetzen, etwa in U- und S-Bahnhöfen. Dabei wird allerdings übersehen, dass selbst leistungsfähige Videotechnik die Aufgaben des Bahnpersonals nicht übernehmen kann. Videokameras können weder einem hingefallenen Menschen beim Aufstehen helfen, noch können sie Reisenden auf ihre Fragen antworten. Selbst der Gewährleistung der Sicherheit genügen Videokameras hier häufig weitaus schlechter als mit dieser Aufgabe betraute Menschen. Sie garantieren nicht einmal, dass eine Straftat, Vandalismus oder hilfsbedürftige Personen von den Sicherheitskräften überhaupt wahrgenommen werden. Videoaufnahmen werden im Regelfall fernab vom Geschehen in Überwachungszentren übertragen, in denen überforderte Sicherheitskräfte für eine Vielzahl von Bildschirmen zuständig sind. Und nicht einmal dies ist immer gewährleistet: So ergab eine Kontrolle auf dem Berliner Hauptbahnhof, dass der Überwachungsraum der Bundespolizei über Stunden wegen Personalmangels unbesetzt war.
    Gleichwohl wird der Ruf nach Videoüberwachung immer lauter. Die polizeiliche Videoüberwachung soll der Gefahrenabwehr, der Aufklärung begangener Straftaten und zugleich der »vorbeugenden Bekämpfung künftiger Straftaten« dienen. Im privaten Bereich spielt daneben die Wahrnehmung des Hausrechts eine besondere Rolle. Dabei werden die gesetzlich definierten Grenzen häufig überschritten, wie die Datenschutzbehörden immer wieder feststellen müssen, etwa wenn ein Geschäftsinhaber vorsorglich gleich den gesamten Gehweg überwacht.
    Weil eine Videokamera alle Personen erfasst, die in ihren Bereich kommen, werden unvermeidlich völlig unverdächtige Menschen mit ihren individuellen Verhaltensweisen aufgenommen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, führt zu Verunsicherung und angepasstem Verhalten. Aus diesem Grund stoppte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2007 das Vorhaben der Stadt Regensburg, einen öffentlichen Platz allein deshalb per Videokamera zu überwachen, da hier ein von Vandalismus gefährdetes Denkmal aufgestellt worden war.
    Wenn Videoaufnahmen nicht nur auf Überwachungsmonitoren angezeigt, sondern auch über längere Zeiträume hinweg gespeichert werden, greift dies über die bloße Beobachtung hinaus in die Persönlichkeitsrechte ein. Zudem ist zu befürchten, dass es durch Kombination von Videotechnologie und Biometrie bald möglich sein wird, die aufgenommenen Personen jederzeit zu identifizieren. Es darf nicht dazu kommen, dass wir uns letztlich für völlig legales Verhalten rechtfertigen müssen, weil wir zufällig von einer Videokamera erfasst und identifiziert wurden. Vielmehr muss sich der Einsatz von Videotechnik weiterhin auf

Weitere Kostenlose Bücher