Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Relaisstationen für den Spam-Versand missbraucht werden. Auch die Absenderadressen von Spam-Mails sind fast immer gefälscht. Bisweilen werden dafür sogar die echten E-Mail-Adressen von Nutzern der gekaperten Rechner verwendet.
Auch andere Praktiken der Werbewirtschaft beeinträchtigen die Privatsphäre. Ein besonderes Ärgernis stellt das ständig aggressiver werdende Telefonmarketing dar. Nach einer repräsentativen Statistik der Gesellschaft für Konsumforschung hat die Anzahl der unerwünschten Werbeanrufe in den ersten drei Quartalen 2006 gegenüber dem Vorjahr um 31,3 Prozent zugenommen. Pro Quartal wurden 82,6 Millionen Werbeanrufe durchgeführt, im Durchschnitt also 900 000 Anrufe pro Tag. Dies geschieht, obwohl seit 2004 derartige Werbeanrufe nur noch mit Einwilligung des Betroffenen zulässig sind, die in den wenigsten Fällen vorliegen dürfte.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf, zumal die EG-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Kundenwerbung in Form hartnäckiger und unerwünschter Telefonanrufe verbietet und die Mitgliedsstaaten verpflichtet, derartige Geschäftspraktiken mit »wirksamen und abschreckenden Sanktionen« zu ahnden.
Bislang können unerbetene oder belästigende Werbeanrufe nur mit Mitteln des Wettbewerbsrechts geahndet werden, also im Wesentlichen über Klagen von Konkurrenten oder auch Verbraucherschutzverbänden. Den Betroffenen selbst ist dieser Weg allerdings versperrt. Außerdem sind entsprechende Verfahren zeitaufwändig und mit hohen Kosten verbunden, und sie scheitern häufig an der schwierigen Beweisführung. Die Datenschutzaufsichtsbehörden können gegen die Urheber unerwünschter Werbeanrufe keine Bußgelder verhängen, weil es im Bundesdatenschutzgesetz keine entsprechende Regelung gibt. Es ist überfällig, diese Regelungslücken endlich zu schließen.
Damit die Flut unzulässiger Werbeanrufe eingedämmt werden kann, muss man die Urheber der Werbeanrufe feststellen können. Diese verstecken sich jedoch durchweg hinter der aus Datenschutzgründen eingeführten Möglichkeit der Rufnummernunterdrückung. Deren Sinn war es eigentlich, Privatanrufer vor dem Missbrauch ihrer Rufnummer zu schützen. Es ist deshalb pervers, dass die Rufnummernunterdrückung massenweise dazu missbraucht wird, die Urheberschaft belästigender Anrufe zu verschleiern. Deshalb sollte die Rufnummernunterdrückung bei Callcentern verboten und technisch deaktiviert werden. Der Gesetzgeber und die Telekommunikationswirtschaft müssen hier handeln.
4.2 Risikofaktor Kunde
Die Zukunft ist ungewiss – diese Aussage gilt letztlich auch für die Risiken, die mit jeglichem wirtschaftlichem Handeln verbunden sind. Keine Bank kann wirklich sicher sein, dass der gewährte Kredit zurückgezahlt wird. Versandhändler bleiben auf unbezahlten Rechnungen sitzen. Diesen Risiken versuchen die Unternehmen auf zwei Wegen Rechnung zu tragen: Zum einen wird aus dem individuellen Verhalten in der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen. Von einem Kunden, der einen Kredit nicht vertragsgemäß bedient hat, wird erwartet, dass er sich bei zukünftigen Verträgen nicht anders verhält. Wenn solche individuellen Erfahrungen nicht vorliegen, wird aufgrund statistischer Zuordnungen des Kunden (Einkommen, Alter, Wohnort...) auf seine persönliche Kreditwürdigkeit geschlossen. Vor allem Letzteres ist problematisch, denn es handelt sich um den Blick in eine Glaskugel, dessen Ergebnis der Betroffene nicht beeinflussen kann.
Moderne Risikobewertungssysteme sollen vermeintlich »schlechte« Kunden frühzeitig erkennen und vor ihnen warnen. Mit ihnen werden bestimmte Geschäfte gar nicht mehr abgeschlossen, sie erhalten Bestellungen nur gegen Vorkasse, sie bekommen keinen Kredit oder müssen höhere Zinsen zahlen. Wer einmal einen Kredit nicht vertragsgemäß bedienen konnte oder eine Rechnung nicht innerhalb einer gesetzten Frist beglichen hat, muss damit rechnen, dass seine persönlichen Daten an eine Auskunftei gemeldet werden, die sie dann an andere Unternehmen übermittelt.
Natürlich ist es legitim, dass sich Unternehmen vor unlauteren Kunden schützen und ihr Augenmerk auf die zahlungskräftige Klientel richten. Allerdings müssen sie dabei grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien beachten. Die datenschutzrechtliche Bewertung der Auskunftssysteme hängt von verschiedenen Faktoren ab. So macht es einen erheblichen Unterschied, ob es sich um unternehmensspezifische »Schwarze Listen« handelt, um
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