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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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umfangreiche Warndateien eines Wirtschaftszweigs (etwa in der Versicherungswirtschaft) oder um branchenübergreifende Recherchedienste.
    Die wohl bekannteste Auskunftei ist die Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung), eine Gemeinschaftseinrichtung der Kreditwirtschaft. Während zunächst nur Banken Daten ihrer Kunden meldeten und Auskünfte erhielten, sind mittlerweile auch viele andere Wirtschaftszweige einbezogen: Versandhandel, Telekommunikations- und Wohnungswirtschaft, Versicherungen und sogar Zahnärzte zählen zum Kreis der Datenlieferanten und -abnehmer. Die Schufa verwendet dabei Daten, die sie von ihren Vertragspartnern erhält, und reichert sie mit Informationen aus anderen Quellen an. So werden etwa eidesstattliche Versicherungen und Mitteilungen über die Eröffnung eines Konkursverfahrens ebenfalls gespeichert. Mit der Unterzeichnung der Schufa-Klausel willigt der Betroffene ein, dass sogenannte Positivdaten der Schufa gemeldet werden. Positivdaten sind Angaben über die Beantragung und vereinbarungsgemäße Abwicklung eines Vertrags. Wird ein Kredit nicht vertragsgemäß bedient oder eine Forderung nicht beglichen, übermitteln die Unternehmen diese Negativdaten – unabhängig vom Vorliegen einer Einwilligung der Betroffenen.
    Jeder kann auch ohne eigenes Fehlverhalten in ein elektronisches Warnsystem geraten, sei es aufgrund einer Verwechslung oder durch unzulässiges Meldeverhalten der Unternehmen. Zwar schreibt das Datenschutzrecht vor, dass strittige Forderungen gar nicht an ein Auskunftssystem gemeldet werden dürfen. Die Auskunfteien überprüfen die Einhaltung dieser Vorgabe jedoch nur stichprobenartig. So drohen Gläubiger unter Umgehung der Vorschriften bei strittigen Forderungen mit einer »Meldung an die Schufa«, um den Schuldner zu einer Anerkennung der Forderung zu bewegen. Auch wenn diese Praxis unzulässig ist, belegen viele Eingaben bei den Datenschutzbehörden, dass es sich dabei keineswegs um Einzelfälle handelt.

Scoring
     
    Scoring-Systeme sollen die Kreditwürdigkeit weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Verhalten des Betroffenen beurteilen, und zwar insbesondere dann, wenn über einen Kunden keine Negativinformationen aus der Vergangenheit vorliegen. Bestellt man eine Ware per Internet, läuft häufig bereits während des Bestellungs- und Datenerhebungsvorgangs ein Scoring-Verfahren ab, von dessen Ergebnis es der Händler abhängig macht, ob er die Lieferung gegen Rechnung oder nur per Nachnahme anbietet oder ob er den Vertragsabschluss verweigert.
    Der Score-Wert (Score = Punktzahl) soll die Bonität der betreffenden Person kennzeichnen. Die Scoring-Verfahren errechnen mittels mathematisch-statistischer Verfahren die individuelle Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Risikos, wobei unterschiedlichste Daten berücksichtigt werden. Anschließend werden die Scores in sogenannten »Rating-Stufen« mit unterschiedlichem Risiko zusammengefasst. Die Auskunfteien stellen die Bewertungsskalen ihren Vertragspartnern zur Verfügung.
    So auskunftsfreudig Auskunfteien gegenüber ihren Vertragspartnern sind, so zugeknöpft verhalten sie sich im Hinblick auf die Offenlegung ihrer Methoden und insbesondere der Einzelheiten der Score-Berechnung. So bleibt häufig ungeklärt, welche Daten in den Score einfließen. Einzelheiten sickern jedoch immer wieder durch, und manches Detail gibt zu Besorgnis Anlass. Bekannt wurde etwa, dass Kontoeröffnungen und Umzüge zu verschlechterten Score-Werten führen. In einer von Flexibilität gekennzeichneten Gesellschaft mutet es abstrus an, dass Umzüge schlechtere Bonitätswerte und damit ungünstige Kreditkonditionen zur Folge haben. Anscheinend wird den Umziehenden unterstellt, dass sie vor Gläubigern flüchten. Im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit müsste ein Arbeitnehmer also einen Arbeitsplatz in einer anderen Stadt ablehnen, weil sich der Wohnungswechsel negativ auf seine Kreditwürdigkeit auswirkt. Eine perverse Folge dieser Art von Risikobewertung!
    Bis vor wenigen Jahren verschlechterte sich bei Selbstauskünften der Schufa-Score des Betroffenen. Die Schufa rechtfertigte diese Praxis damit, es bestehe ein statischer Zusammenhang zwischen Zahlungsschwierigkeiten und Selbstauskünften. Es kostete die Datenschutzbehörden erhebliche Zeit und Mühe, die Schufa davon zu überzeugen, dass derjenige, der sein gesetzlich verbrieftes Auskunftsrecht in Anspruch nimmt, dadurch keine Nachteile erfahren darf, auch nicht über

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