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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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aufgeschnappt hatte. Er hatte Hosenträger. Seine Baseballkappe war in die Mitte des Raumes gerollt. Darauf gelbe Buchstaben, Peoria Jet Center, Ihre Servicewerkstatt in Illinois. Trotz der Übelkeit ein Anflug von Wut. Der Penner. Illinois war nach Westen gekommen auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf, auf der Flucht vor der Grippe, und hatte sich im Drahtseil dieses Arschlochs verfangen. Höchstwahrscheinlich. Sein Heckenschützengewehr lag gleich daneben. Ein AR- 10 mit langgezogenem Lauf. Die Katzen miauten so laut und panisch wie im Wartezimmer eines Tierarztes. Der alte Mann würgte, röchelte, schluchzte. Eines der mutigeren Tiere war schon dabei, am leuchtend roten Rinnsal zu lecken.
    Samuel! Ein heiserer Schrei. Sammy, Sammy, mein Sammy!
    Ich fuhr zusammen. In der Ecke – eigentlich gab es nicht die eine Ecke, es gab nur Ecken, acht Stück davon –, in der Ecke im Osten kauerte eine alte Frau, und allen Ernstes, sie hatte einen grauen Haarknoten. Tante Bee. Sie stand neben einem Zielfernrohr mit Stativ und trug, wieder allen Ernstes, ein blaues Kattunkleid mit Kornblumenmuster. Sie hatte eine runde Nickelbrille. Sie sah aus wie eine Schulbibliothekarin, wie eine liebevolle Großmutter, wie das Gesicht auf der Flasche mit Pancake-Sirup. Sie stand gegen einen Navigationsmonitor gelehnt und war auf dem Sprung zum Schützen erstarrt, der wohl ihr Ehemann sein musste, sie rang die Hände vor der Brust und hatte den Mund zum Schrei geöffnet. Pops erschoss sie. Mitten in die Stirn. Zwanzig Katzen jagten wild durcheinander durch den Tower, dann erstarrten sie in verschiedenen Posen geduckter Todesangst. Worauf sich der Lärmpegel in dem Raum auf einen Schlag halbierte. Nun waren es nur noch die Katzen und der alte Mann.
    Pops trat neben ihn und ging in die Hocke.
    Los , sagte der Opa. Seine Augen liefen über. Sie waren milchig wie gekochte Eier. Schieß . Er bettelte.
    Pops sagte: Wie habt ihr das mit dem Seil gemacht?
    Was …? Er gurgelte einen Blutschwall aus.
    Das Seil. Wie habt ihr das hochgefahren?
    Bag
    Mit einem Bagger?
    Opa übergab sich, wie zur Bestätigung.
    Treibstoff? Wo ist der Treibstoff? Habt ihr Flugbenzin?
    Bitte, schie…
    Ho Hank
    Osttank?
    Ah
    Pops zog an dem Schlüsselbund, der am Gürtel des Mannes hing.
    Ist das der Schlüssel?
    Auaaaaaaa
    Ist das der Schlüssel?
    Ah
    Fahr zur Hölle.
    Pops erschoss ihn. Ich würgte.
    *
    Bevor ich vor den Katzen und vor dem Gestank floh, warf ich einen Blick aus dem Fenster. Das Dach des Jet Centers war von Solarzellen bedeckt. So wie in Erie. So haben sie Wasser- und Benzinpumpen betrieben, die Funkgeräte und das Blinklicht. Der östliche Tank war keine hundert Meter vom Tower entfernt. Leicht zu überblicken von hier oben, so haben sie ihn bewacht. Die Überlebenden? Aus den abgestürzten Flugzeugen? Vielleicht haben sie sie aus der Distanz abgeknallt, oder Tante Bee hat ihnen zugewinkt wie eine Schauspielerin, wie eine besorgte Oma hat sie ihnen signalisiert, bloß schnell rüberzukommen. Ein Kinderspiel. Verdammt.
    *
    Bevor wir den Tower verließen, zeigte Pops mir die Wohnung im zweiten Stock. Ich sagte, ich wolle sie nicht sehen. Er sagte: Doch, willst du. Die Katzen waren schon auf der Treppe. Ich folgte ihm.
    Haben Sie mal das Wohnmobil eines Rentners von innen gesehen? Die Art von Wohnmobil, für das manche Leute ihr Eigenheim verkaufen? Sauber und aufgeräumt, mit Patchwork- oder Sonnenblumenmusterdecke auf dem Bett und auf dem Kissen einen Plüschteddy? Mit Seidenblumen in einer Kristallvase auf einem furnierten Beistelltischchen? So war es. Ein winzig kleines Schlafzimmer ohne Fenster, tadellos erhaltene Wandteppiche, keine Katzen. Aber. Im Wohnzimmer, wo normalerweise der Fernseher gestanden hätte, war eine Wand voller Haken, und an den fast hundert Haken hingen Mützen, hauptsächlich Baseballkappen mit Logos der verschiedensten Flughafenbetreiber, Werkstätten, Flugexperten und Ersatzteillieferanten – für Zylinder, Propeller, Rumpfverkleidung – aus allen Teilen des Landes. Die restlichen Wände waren mit Regalen bedeckt. Auf den Regalen lagen Brillen – Sonnenbrillen, Lesebrillen, Gleitsichtbrillen, einfach alle Arten von Brillen – und stümperhaft ausgestopfte Vögel. Zerzauste Vögel in matten Farben, lieblos mit irgendeinem Füllstoff ausgestopft, die Augen ungeschickt zugenäht – Eulen, Blauhäher, Elstern, Spatzen, Enten. Dazu Vogelführer: ein antiker Petersen, ein Golden Guide, National Geographic, der

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