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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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an, so wie es auch oft mit Evie war, in einem Zelt im Garten, Mund und Finger klebrig von Marshmallows, wir rollten im nächtlichen Gras umher, erschraken vor jedem Geräusch, jedem Echo, jeder Grille, die ihre Flügel aneinander rieb, nur für uns.
    Da ist irgendetwas.
    Aber ich kriege es nicht zu packen.
    Ich stütze mich an der Backsteinwand ab, ich habe das Gefühl, sonst einfach umzufallen.
    Hier war irgendwas, etwas, das etwas bedeuten könnte. Ein Fund, ein Aha-Erlebnis, aber ich komme einfach nicht darauf. Ich kann die losen Enden nicht zusammenfügen.
    Ich stolpere auf die Rückseite des Hauses, stoße mir dabei dreimal den großen Zeh, beim letzten Mal schießt mir heißes Blut unter den Nagel.
    Hier liegt etwas, ich bin auf etwas getreten.
    Ich bücke mich, um es näher zu betrachten.
    Es ist der zusammengerollte, glänzende Gartenschlauch, seine harte Düse.
    Er erinnert mich an etwas. Er verleiht dem vagen Gedanken eine Form.
    Vor drei oder vier Wochen schoben Evie und ich unsere Fahrräder hier hinters Haus, um dem Mann nicht im Weg zu sein, der mit einer langen Teleskopstange die Regenrinnen sauber machte. Ein Schauer aus Kiefernzapfen, kleinen Zweigen und Schlamm regnete herab. Schütteln, schütteln, wie Maracas, und da kommt noch mehr, immer mehr. Einmal fiel ein Nest mit Spatzenkindern herab, alle tot, und seitdem bleibt Mrs. Verver immer mit einem kühlen Lappen auf der Stirn in ihrem Zimmer liegen, bis es vorbei ist. »Wer will das denn alles sehen«, sagte sie, »wer will schon wissen, was da oben alles ist.«
    Wir lehnten unsere Fahrräder an den Birnbaum in der Mitte des Rasens, und dort zeigte mir Evie etwas.
    Ich weiß noch, wie ich dachte, dass es doch seltsam ist, dass wir uns kaum noch hier hinten herumtreiben. Als wir kleiner waren, haben wir so gut wie immer hier gespielt, haben uns an den Stamm des Birnbaums geklammert und sind bis ganz oben hinaufgeklettert.
    Evie hockte sich hin, legte die Hände auf den Gartenschlauch, den wir für Carl, den Regenrinnenmann, auf das große Rad aufrollen sollten.
    »Soll ich dir mal was zeigen?«, fragte sie mich, und ich setzte mich aufgeregt neben sie, ich rechnete immer mit etwas ganz Besonderem, einem fünfblättrigen Kleeblatt, einem Regenwurm mit zwei Köpfen, einer Tonscherbe aus dem Altertum.
    Wir kauerten uns hin, aber ich sah nur drei Zigarettenkippen herumliegen und abgebrannte Streichhölzer, die sich nach oben gebogen hatten. Auf einem der weißen Filter stand das Wort »Parliament«.
    »Deine Schwester?«, fragte ich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass Dusty heimlich rauchte – mit ihren Puppenlocken, ihrem blitzblanken Gesicht, ihren schicken Haarspangen.
    »Nein«, antwortete sie, obwohl ich dachte, das könne sie ja gar nicht wissen. Ich wollte eine der Kippen anfassen, aber sie ließ mich nicht.
    »Mein Dad hat aufgehört zu rauchen«, sagte sie, und ich erinnerte mich daran, wie Mr. Verver uns davon erzählt hatte, wie er auf Plastiklöffeln, Pfeifenreinigern und Strohhalmen herumgekaut hatte, bis er eines Tages fast an so etwas erstickt wäre, als er mit dem Auto über einen Bordstein fuhr.
    »Vielleicht hat er aufgehört, vielleicht aber auch nicht.« Ich grinste.
    Wäre doch lustig; ich könnte ihn damit aufziehen, so wie Dusty ihn aufzog, wenn seine Freunde zum Kartenspielen kamen und einen Berg Bierdosen zurückließen und sie ihn als heruntergekommen bezeichnete. Ich könnte ihn nie so nennen, aber Dusty benutzte immer solche ausgefallenen Wörter, sie breitete sie einfach vor sich aus wie einen Fächer. Und Mr. Verver gefiel das, und es wäre doch toll, ihn zum Lächeln zu bringen, nur für mich.
    Evie sah auf den Rasen, die Zigarettenstummel.
    Sie sah irgendwie so ernst aus. Sie dachte über etwas nach, und ich hatte keine Ahnung, worüber. Auf einmal ging mir dieser Gedanke durch den Kopf, Schon wieder. Immer öfter ist Evie gar nicht mehr Evie. In ihren Augen lag ein schwerer, düsterer Ausdruck, und ich wollte wissen, warum. Als ob ein Gewicht dahinter pendelte, das ich anstoßen, es hin- und herschwingen lassen könnte, aber es gehörte mir nicht.
    Wie konnte sie es nur vor mir geheim halten?
    Ich gab ihr einen Schubs. Sie fiel aus der Hocke nach hinten, stützte sich mit ihren dünnen Armen ab.
    Ich lachte, aber es klang falsch, ein verächtliches Lachen, wie das von Tara Leary, als sie meinen kümmerlichen kleinen Sport-BH gesehen hatte.
    Evie sah mich an, wog offensichtlich das Für und Wider ab, und

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