Das Ende der Welt (German Edition)
würde ich meine Abenteuer aufschreiben, beschloss ich.
Vor Amandus’ Haus standen drei Wachen. Noch während ich dachte, dass wir auf diesem Weg nicht reinkommen würden, schritt der Zar seelenruhig auf die Männer zu und schwenkte ein geblümtes Taschentuch, als wolle er um Frieden bitten.
»Verdammt, was ist das denn für einer?«, fragte ein Soldat und riss sein Gewehr hoch.
»Die Verdammnis«, hörte ich den Zar brummen, und mit einer Schnelligkeit, die ich ihm nicht zugetraut hätte, sprang er den Mann an, riss ihm das Gewehr aus den Händen und versetzte ihm mit dem Kolben einen Schlag an die Schläfe. Und noch ehe der Mann wie eine Puppe zu Boden gefallen war, hatte der Zar schon die anderen Wachen angefallen und ihre Köpfe zusammengeschlagen. Mit einem dumpf klingenden Geräusch gingen sie zu Boden.
»Und jetzt?«, fragte ich Burger fassungslos. Der zeigte auf den Zaren, der gerade die Tür eingetreten hatte und im Inneren des Hauses verschwunden war. Wir hasteten hinterher und hörten ihn im Haus herumwüten.
»Er wird uns die gesamte Garnison auf den Hals schicken«, sagte ich.
»Bis dahin sind wir längst weg«, beruhigte mich Burger. Der Zar nahm gerade eine Wache in den Schwitzkasten. »Wo ist Amandus?«, grollte er. »Sag Mutti schnell, wo er ist.«
Doch noch ehe der verängstigte Soldat antworten konnte, fiel er in Ohnmacht. Eine weitere Wache, die uns entgegenstürzte, streckte der Zar mit einem Fausthieb nieder, ohne den anderen Mann loszulassen. Aus einer Seitentür kam ein weiterer Soldat und sprang dem Zaren auf den Rücken. Ich schlug dem Angreifer meine Pistole gegen den Hinterkopf, so dass er wie eine reife Frucht abfiel. Der Zar nickte mir grunzend zu und stieg die Treppe hoch. Leela und ich folgten ihm. Burger und seine Männer bildeten die Nachhut. Auf dem Weg nach oben schaltete der Zar zwei weitere Wachen aus.
»Vater!«, rief Leela, während wir durch das Haus jagten. »Hier!«, hörten wir dumpf Amandus’ Stimme. Sie kam aus seinem Büro. Der Zar sprengte die Tür mit einem Fußtritt auf. In dem dunklen Zimmer stand Amandus und sah uns fassungslos an, als könnte er nicht glauben, was er sah. Leela flog in seine Arme.
»Mein Kind!«, schluchzte Amandus und presste sie an sich. »Cato hat mir weisgemacht, er würde dich gefangen halten. Er hat gesagt, wenn ich versuche zu fliehen, würde er dich töten lassen. Mein Kind, dass du noch lebst«, wiederholte er mehrmals und drückte Leela noch fester an sich.
»Wir müssen gehen«, mahnte Burger.
Wie ein Wirbelsturm waren wir gekommen und ebenso schnell waren wir verschwunden. Als wir die Stufen zur U-Bahn runterhasteten, hörten wir Motorengeräusche, die rasch näher kamen. Der Zar schob das Schienenfahrzeug an und sprang auf. In halsbrecherischem Tempo rasten wir durch die dunklen Schächte unserem Ziel entgegen. Einmal sprangen wir fast aus der Kurve. Leela und Amandus hielten sich während der Fahrt umklammert, als wollten sie sich nie wieder loslassen.
Als wir unsere Zuflucht fast erreicht hatten, drosselte der Zar die Geschwindigkeit. »Irgendetwas stimmt nicht«, brummte er. Wir blieben im Tunnel stehen und lauschten. Schreie und Stimmengewirr waren zu hören.
»Diese Schweine«, flüsterte Ricky. »Sie müssen unser Versteck aufgespürt haben.«
Plötzlich schallte Donards schrille Stimme durch den Tunnel. »Da sind sie!«
Im selben Augenblick flogen uns die Kugeln um die Ohren. Der Zar schob die Draisine in die andere Richtung, sprang auf und brachte das Gefährt auf Höchstgeschwindigkeit. Bald waren wir außer Reichweite ihrer Gewehre.
An einem U-Bahnhof, der uns sicher schien, stiegen wir hoch und rannten zu einem kleinen Park, in dem abgerissene Gestalten, trotz des Regens, ungeschützt auf ihren Lumpen hockten und vor sich hin starrten. Die meisten sahen aus, als würden sie die Nacht nicht überleben. Ein paar Betrunkene grölten herum und terrorisierten einen alten Mann. Wir setzten uns mitten unter die Obdachlosen. Niemand achtete auf uns.
Leela schmiegte sich an ihren Vater.
»Ich danke euch für meine Rettung«, flüsterte Amandus und nickte jedem von uns zu. Auf mir ruhte sein Blick besonders lang. Er sah schlecht aus: abgemagert und müde. »Ich habe dir Unrecht getan«, sagte er leise zu mir. »Ich habe dich oft verflucht. Mir war klar, wie gerissen Cato ist, und doch habe ich ihn unterschätzt.«
»Jetzt ist keine Zeit für Selbstanklagen«, sagte Burger und legte Amandus die Hand auf den Arm.
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