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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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wollen die?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Die Kinder machten zwar keine Anstalten, uns anzugreifen, aber sie wirkten bedrohlich. Wir gingen schneller, doch sie ließen sich nicht abschütteln. Leela blieb plötzlich stehen und fragte laut: »Was soll das werden? Was wollt ihr von uns?«
    Die Kinder waren ebenfalls stehen geblieben und sahen uns schweigend an. »Lass uns weitergehen«, drängte ich Leela.
    »Wir haben nichts für euch«, sagte sie und breitete die Arme aus. Die Kinder interpretierten diese Geste offenbar als Drohung und wichen zischend zurück.
    »Können die nicht sprechen?«, fragte sie mich.
    »Keine Ahnung.«
    »Wir Freunde«, versuchte Leela es noch einmal und legte langsam die Hand auf ihr Herz. Anscheinend kannten die Kinder dieses Zeichen, denn sie machten es nach. Leela drehte sich triumphierend zu mir um. »Sie verstehen mich«, sagte sie.
    »Vielleicht hast du sie gerade zum Essen eingeladen, und wir sind der Hauptgang«, versuchte ich einen Witz, aber uns war beiden nicht zum Lachen zumute. Ich hatte den Eindruck, dass die Kinder immer näher kamen und dabei einen Ring um uns bildeten, der sich langsam schloss. Und wirklich, nach ein paar Metern hatten sie uns eingekreist.
    »Die Sache wird langsam unheimlich«, meinte Leela. »Wir sollten abhauen.«
    »Zu spät«, sagte ich, denn zwischen den Bäumen waren mittlerweile Erwachsene aufgetaucht, die genauso abgerissen waren wie die Kinder und uns stumm musterten.
    »Wir kommen hier nicht weg«, sagte ich leise zu Leela. Sie sah mich herausfordernd an, bückte sich blitzschnell nach einem großen Ast und ging damit drohend auf die Müllfresser zu. Für einen Moment war ich völlig überrumpelt. Das widersprach jeder militärischen Regel. Die Müllfresser aber waren beeindruckt, denn sie zischten erschrocken und machten ein paar Schritte zurück.
    »Wir wollen euch nichts tun«, rief ich und griff mir ebenfalls einen Knüppel, mit dem ich mich langsam im Kreis drehte. Die Kreaturen musterten uns aus großen Augen. So standen wir eine Weile da und wussten nicht weiter, bis einer vortrat und sagte: »Mein Name ist Puck.« Dabei sah er uns aus tiefblauen Augen an, die wie Scheinwerfer aus dem verdreckten Gesicht strahlten. Ich war zu überrascht, um etwas zu sagen, dafür reagierte Leela. »Wir sind auf der Durchreise und wollen nur in Ruhe weiterziehen.«
    Puck lächelte leicht, dann drehte er sich um und sagte über die Schulter: »Kommt mit!«
    Leela und ich sahen uns an. Die Müllfresser nahmen uns in die Mitte, wie eine Frucht ihren Kern, so dass an Flucht nicht zu denken war. Uns blieb nichts anderes übrig, als hinter ihnen herzumarschieren. Mir fiel auf, dass die meisten Müllfresser kleingewachsen waren. Selbst die Erwachsenen hatten meine Größe, die Größe eines Fünfzehnjährigen. Zudem waren sie mager, ihre Rippen stachen hervor wie Fischgräten. Wahrscheinlich kriegen sie zu wenig Fleisch, dachte ich und sah Leela und mich in Gedanken auf einem Spieß über dem Feuer braten. Je näher wir dem Müllberg kamen, desto stechender wurde der Gestank, als ob die Luft giftig wurde. Ich hielt mir schützend die Hand vor den Mund. Leela sah aus, als müsste sie jeden Moment kotzen. Taumelnd lief sie weiter. Vermutlich würden die Müllfresser uns nicht mal töten müssen, sie mussten einfach warten, bis der Gestank uns erledigt hätte.
    Zwischen den Bäumen schimmerte der Müllberg durch. Ein grauer, stinkender Kegel, über dem die Möwen kreischend ihre Bahnen zogen. Der Boden wurde morastiger, und wir versanken bis zu den Knöcheln im Schlamm. Puck lächelte uns aufmunternd zu und führte uns um den Hügel herum durch einen kleinen Wald, über dessen sumpfigen Boden Holzbohlen einen Weg bildeten. Bald stießen wir auf eine Lichtung, um die herum Häuser auf Stelzen gruppiert waren. In der Mitte stand ein langer Tisch, an den wir uns setzten. Der Müllgestank mischte sich mit einem starken, süßlichen Geruch, wodurch er erträglicher wurde. Leela wies auf hohe Bäume mit schlanken Stämmen, die ringsum standen und deren weiße Blüten den Duft abgaben.
    »Wir haben sie als Geruchswand gepflanzt«, sagte Puck. Ich sah ihn verwundert an.
    »Man gewöhnt sich zwar an den Müll, aber wir müssen nicht auch noch im Gestank schlafen.«
    »Was habt ihr mit uns vor?«, fragte ich.
    Puck lächelte vieldeutig. »Wir fragen uns, warum ihr hier seid. Wer freiwillig hier vorbeikommt, ist entweder auf der Flucht …«
    »Oder ein Spion«, beendete

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