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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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als Mensch und dumm wie Ziegen. »Sie sammeln Müll, schichten ihn auf und leben auf diesen Haufen. Man nennt sie Müllfresser. Sie leben in Clans und sind harmlos, weshalb die Armee sie auch in Ruhe lässt. Sie fressen sich höchstens gegenseitig auf. Die Müllberge sind ihr Revier.«
    »Vielleicht sind sie die Nachkommen der Müllmänner«, überlegte Leela.
    »Der was?«, fragte ich.
    »Vor der Großen Katastrophe gab es Zefs, die freiwillig den Müll weggeräumt haben«, behauptete Leela.
    »Quatsch! Du willst mir doch nicht erzählen, dass Leute den Dreck von anderen weggemacht haben.«
    »Ich habe Bilder gesehen«, beharrte sie. »Die sind mit großen Lastwagen durch die Stadt gefahren, in denen sie den Müll verbrannt haben. Die Straßen waren immer sauber.«
    Das klingt zu sehr nach Märchen, entschied ich, ließ es mir aber nicht anmerken. Ich wusste, dass die Menschen sich die Vergangenheit schönredeten. Wahrscheinlich war ihr Leben so leichter zu ertragen. Ich hatte auch nie geglaubt, dass Menschen mal auf dem Mond gewesen sein sollen. Dann verstand ich nicht, warum sie diesen knochigen, zerfressenen Planeten nicht einfach weggesprengt hatten, der hinter den dichten Wolken sowieso kaum zu sehen war.
    Ich hatte noch einen Muschnik in meiner Jacke, den ich in zwei Hälften brach.
    »Meinst du, wir schaffen es nach Norden?«, fragte Leela kauend.
    »Ich bin ganz sicher«, sagte ich. Auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte, so gab es eine unausgesprochene Regel zwischen Leela und mir: Jedes Mal, wenn einer von uns beiden die Hoffnung verloren hatte, machte ihm der andere Mut.
    »Ich wünschte, ich hätte früher gelebt«, sagte Leela. »Vor der Großen Katastrophe. Das muss eine schöne Zeit gewesen sein.«
    Ich nickte, obwohl Leela mich in der Dunkelheit nicht sehen konnte.
    »Man konnte überall hingehen.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach ich.
    »Doch!«, sagte sie. »Die Menschen konnten gehen, wohin sie wollten.«
    »Blödsinn!«, beharrte ich.
    »Ich habe Bilder in Büchern gesehen. Da liegen Leute am Strand und gucken aufs Meer.«
    »Warum sollten sie so etwas tun?«, fragte ich.
    Leela gab keine Antwort. »Das fanden die schön«, sagte sie nach einer Weile.
    Wieder so ein Märchen, dachte ich.
    »Du glaubst mir nicht«, stellte Leela fest.
    »Doch, doch«, sagte ich.
    »Cato und Sönn hast du doch auch alles geglaubt.«
    »Was ist das denn für ein dämlicher Vergleich?«, schnaubte ich.
    »Du tust immer noch so, als würde es zwei Welten geben. Deine und meine. Aber das stimmt nicht. Sie sind beide verschwunden.«
    Ich antwortete nicht.
    »Und sie kommen auch nicht wieder«, sagte Leela bestimmt.
    »Das will ich auch gar nicht«, sagte ich. »Aber du willst das anscheinend. Du redest doch dauernd von dieser alten Welt.«
    »Du spinnst ja«, sagte sie und rutschte ein Stück von mir weg.
    Jedes Mal, wenn Leela mir von der untergegangenen Welt erzählte, kam ich mir dumm vor. Sie wusste mehr als ich, weil sie auf eine Schule gegangen war, während ich nur zu kämpfen gelernt hatte. Gut, als Offiziersanwärter konnte ich lesen und schreiben, aber ich hatte noch nie ein Buch gelesen. Und über die Zeit vor der Großen Katastrophe hatten wir im Unterricht kaum gesprochen. Hin und wieder hatte Sönn uns davon erzählt. Er hatte sie als schwach und krank verachtet.
    Am nächsten Morgen erwachten wir in einer Wolke von Gestank. Leela war grün im Gesicht.
    »Wir werden zum Müllberg gehen«, sagte ich.
    Sie sah mich entgeistert an. »Die Soldaten werden uns mit Bluthunden jagen«, erklärte ich ihr. »Durch den Müllgestank wird ihr Geruchssinn abgelenkt.«
    Leela sträubte sich, doch am Ende sah sie ein, dass ich recht hatte.
    Als wir den Turm verlassen hatten, drehte der Wind, und ich wusste nicht, in welche Richtung wir gehen mussten. Da entdeckte ich die Möwen. Sie kreisten in einiger Entfernung in der Luft. »Wo die Vögel sind, ist der Müllberg«, sagte ich erleichtert. Leela setzte eine finstere Miene auf und stapfte hinter mir her. Bald erreichten wir den Wald, die schwarzen Stämme der Bäume waren mit Dornengestrüpp überwuchert. Nachdem wir eine Weile weitergewandert waren, sahen wir sie zwischen den Bäumen auftauchen: Kinder aller Größen. Wir gingen vorsichtig weiter. Die Gestalten waren so dreckig, dass ihre Gesichter kaum zu erkennen waren. Lumpen schlotterten um die mageren Körper.
    »Gehören die zu den Müllmenschen?«, flüsterte Leela.
    »Ja«, gab ich zurück.
    »Was

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