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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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verklang. Wir klopften uns den Staub ab und zogen weiter, bis wir nach einer Weile wieder einen Motor hörten. Da es nicht wie ein Militärfahrzeug klang, blieben wir auf der Straße. In einer Staubwolke näherte sich ein merkwürdiges Auto. Es hatte nur drei Räder, zwei hinten und eines vorne, das an langen Stangen befestigt war. Auf der Sitzbank thronte ein Mann, der mir bekannt vorkam. Er trug eine Lederkappe und eine Brille. Gegen den Staub hatte er sich ein Tuch vor den Mund gebunden.
    Die offene Ladefläche des Gefährts war mit einer Plane verdeckt. Ein Händler, mutmaßte ich. Er hielt mit quietschenden Bremsen neben uns an, stieg umständlich ab, schob das Tuch runter, strich sich über seinen langen grauen Schnurrbart und sagte, nachdem er geräuschvoll ausgespuckt hatte: »Guten Tag, Kinder!«
    Dann nahm er die Kappe ab, und es kam ein wirrer grauer Schopf zum Vorschein. »Ich heiße Barnabas. Ich bin der Bote, ich bringe Informationen, Klatsch und Gerüchte.« Er hielt uns seine dünnen Finger hin. »Außerdem handle ich mit allem, was die Natur ersonnen hat, um die menschliche Seele edler erscheinen zu lassen.« Er zeigte auf Leela. »Seife und Duftwässerchen für die Dame zum Beispiel.«
    Der Mann schien etwas verrückt, aber harmlos zu sein.
    Trotz seiner grauen Haare wirkte er noch jung. Als er mir über das verfilzte Haar strich, fuhr ich zurück. »Haarwasser für den Herrn von Welt.«
    Dann kramte er in seinen Taschen auf der Rückbank und holte ein Nachthemd hervor, das er Leela anhielt, wobei er murmelte: »Wie angegossen.« Dass das Nachthemd zu groß war, schien Barnabas nicht zu stören. Er sah sich nach mir um und sagte: »Das steht ihr vorzüglich, nicht wahr?« Er zwinkerte mir zu. »Ich mache euch ein Angebot.« Er breitete das Nachthemd mit einer eleganten Bewegung auf dem Sand aus und sagte: »Für acht Kreuzer könnt ihr es haben. Ich verlange normalerweise zwölf.«
    Wir drei standen da und betrachteten das Stück Stoff, das leicht vom Wind bewegt wurde. Barnabas beugte seine riesige Gestalt verschwörerisch zu uns runter. »Soll ich euch ein Geheimnis verraten?« Und ohne unsere Antwort abzuwarten: »Man muss sich in Zeiten wie diesen mit schönen Dingen umgeben, damit der Alltag seinen Schrecken verliert.«
    Er wies noch einmal auf das Nachthemd. »Das ist echte Seide.«
    »Das ist gewebtes Kunstgarn mit einem Schuss Naturstoff«, sagte Leela mit Kennermiene. Barnabas sah sie überrascht an und lachte. Er rollte sein Nachthemd ein und zeigte mit der Stoffwurst in Richtung des Lagers. »Ist ziemlich weit zum Laufen. Oder wollt ihr Selbstmord begehen? Diese Wüste nennt man den Backofen, ratet mal, warum?«
    Wir rieten lieber nicht.
    »Wenn ihr wollt, nehme ich euch mit«, sagte Barnabas.
    »Was würde uns das kosten?«, fragte Leela.
    Er sah uns prüfend an. »Haltet ihr mich für eine Krämerseele?« Er sah in den Himmel. »Sofort soll der Blitz mich treffen, hätte ich euch bezüglich Hintergedanken. Ihr habt doch sowieso kein Geld, oder?«, sagte er augenzwinkernd, räumte etwas Platz auf der Ladefläche für uns frei und lud uns mit einer Handbewegung ein, aufzusteigen. Dann tuckerten wir los. Leela und ich hielten uns krampfhaft an den rauen Seitenwänden fest, während Barnabas jede Bodenwelle, jedes Schlagloch, jede Unebenheit jauchzend durchfuhr. Unterwegs erzählte er uns aus seinem Leben. »Ich bin im goldenen Süden gezeugt und geboren. Und dort erfuhr ich auch die gesamte Bandbreite menschlicher Existenz. Sowohl das Niedrige als auch das Hohe. Meine armen Eltern hätten es gern gesehen, wenn ich die Uniform ergriffen hätte, um in der ruhmreichen Armee zu dienen. Mein Vater war ja nur ein Schuster. Er hätte gern einen Helden in der Familie gehabt. Doch Onkel Tobi hat das verhindert.« Er schlug sich gegen die Brust. »Onkel Tobi hat mir seine schwache Lunge vermacht. Zum Ausgleich hat er mir alles beigebracht, was er wusste. Und das war eine Menge.«
    Barnabas nahm die Hände vom Lenker und breitete die Arme aus, während das Gefährt gefährlich nach links schwenkte. »Was ich bin, verdanke ich ihm. Im Guten wie im Schlechten. Er war ein richtiger Gauner.«
    »Achtung«, schrien Leela und ich gleichzeitig, als wir auf eine Sanddüne zusteuerten. Barnabas lenkte im letzten Augenblick zurück auf die Straße und redete ungerührt weiter. »Ich hab alles gesehen. Alles kennengelernt. Ich kannte sogar welche, die welche kannten, die die Große Katastrophe miterlebt hatten.

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