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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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Stellt euch das mal vor. Richtige Fossile, die noch die Sonne gesehen haben. Die noch den Geschmack von Schweinefleisch und Rindfleisch kannten.« Er leckte sich über die schmalen Lippen und fummelte aus seiner Tasche ein paar Muschniks hervor, die er uns hinhielt, ohne auf die Straße zu achten.
    »Die sind aus der Schweiz. Richtig guter Stoff, nicht so ein Billigzeug wie das einheimische. Da sind gute Zutaten drin.« Er schnalzte genießerisch mit der Zunge, riss eine Packung mit den Zähnen auf und kaute mit offenem Mund. Leela und ich probierten unsere Muschniks, sie schmeckten fad wie immer. »Na, hab ich euch zu viel versprochen?«, fragte Barnabas.
    Wir nickten.
    Am Abend ließ Barnabas Leela in seinem Zelt schlafen, während wir beide uns vor dem Feuer in dicke Decken einrollten. Wir blickten in den Himmel, der wie ein schwarzes Tuch über uns hing.
    »Früher konnte man den Mond deutlicher sehen«, seufzte Barnabas. Er stützte sich auf einen Ellbogen und sah mich an. »Weißt du, was der Mond überhaupt ist, mein Junge?«
    »Sicher weiß ich das«, sagte ich. Wofür hielt er mich? Der Mond war eine helle Kugel, die nachts die Erde anleuchtete. Im Inneren der Kugel brannte ein riesengroßes Feuer. Das wusste doch jeder.
    »Dann weißt du sicherlich auch, dass der Mond für Ebbe und Flut auf der Erde verantwortlich ist.«
    Ich sah ihn ratlos an. »Was sind Ebbe und Flut?«, fragte ich.
    Barnabas lachte leise. »Was lernt ihr Kinder heutzutage eigentlich in der Schule?«

38
    Von einem Hügel aus blickten wir auf das Lager, das unter uns in einer Senke lag. Dicht an dicht standen hölzerne Baracken. Ein paar Menschen waren zu sehen, die wie Ameisen hin und her wuselten. Rund um das Lager war ein tiefer Graben ausgehoben, der mit einem Stacheldraht umzäunt war.
    »Willkommen!«, sagte Barnabas meckernd. »Wer seine Menschlichkeit noch nicht völlig abgelegt hat, der tut es hier.« Er schwenkte den Arm über das Tal. »Lager 43. Stadt der Schmerzen.«
    An der Südflanke des Lagers stand ein rechteckiger Turm.
    »Da wohnen die Zerberusse«, sagte Barnabas.
    »Die wer?«, fragte Leela.
    »Die Wächter über diesen Ort. Ihr werdet sie bald kennenlernen.«
    Als wir dem Lager entgegenfuhren, fragte ich mich, ob wir nicht einen Fehler begingen. Es war leichter, in ein Lager hineinzukommen als wieder heraus.
    »Wir können noch zurück«, sagte Leela, die anscheinend dasselbe gedacht hatte.
    Aber wo sollten wir hin? Wir wurden überall gesucht. In diesem Land hatten wir keine Zukunft. Jetzt regierte Cato und mit ihm die neue Zeit, die irgendwann die alte Zeit werden würde.
    Barnabas fuhr langsam durch die Masse der Flüchtlinge, die vor dem Tor warteten. Einmal stieg er ab, um ein kleines Kind seiner Mutter zurückzugeben, das weinend im Weg gelegen hatte. Die Leute sahen uns bittend an.
    Magere, abgerissene Gestalten, die vor Krieg und Dürre geflohen und wie Treibgut hier gestrandet waren.
    »Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet«, sagte er zu uns und strich sich die Enden seines Schnurrbartes glatt. Am Tor stand ein Wächterhäuschen, das jedoch leer war. »Keiner zu Hause?«, rief Barnabas krächzend und hupte dreimal. Hinter dem Häuschen tauchte ein Wächter auf, der sich brummend den Hosenstall hochzog. »Verdammt«, schimpfte er, doch als er Barnabas sah, hellte sich seine Miene auf. »Barnabas, du alter Gauner«, rief der Wächter, ein stiernackiger Hüne, der am Hals die Wolfsangel tätowiert hatte. Leela und mich beachtete er gar nicht. Barnabas kramte etwas aus einer seiner Taschen und verschwand mit dem Wachmann in dessen Häuschen. Nach einer Weile tauchten sie wieder auf, Barnabas zwinkerte uns zu und sagte: »Alles geregelt. Ich habe eure Papiere schon vorgezeigt und alles für euch ausgefüllt. Jetzt müsst ihr nur noch eure Zeit hier genießen.«
    Der Wachmann, er hieß Jobeck, winkte uns heran.
    »Barnabas hat für euch gebürgt«, sagte er dröhnend.
    »Ihr seid ab sofort Insassen des Lagers 43.«
    Zur Bekräftigung sah er uns böse an.
    »Meine Freunde«, sagte Barnabas. »Ich werde mich an dieser Stelle von euch verabschieden, und auch wenn ich euch aus meiner Obhut entlasse, so doch nicht aus meinem Herzen.« Er machte eine leichte Verbeugung und presste sich die Hand aufs Herz. »Jetzt geht in Frieden mit diesem Monster«, er wies mit dem Kinn auf Jobeck, der dröhnend lachte. Bevor wir gingen, flüsterte Barnabas uns noch zu: »Seid vor den Wachen auf der Hut. Sie sind nicht

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