Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Schwellenländern aus endemischer
Armut und Unterentwicklung herausgeholfen haben, hat die Häufigkeit und Heftigkeit von Wirtschafts- und Finanzkrisen in Schwellen-
und Industrieländern zugenommen. Dieses Buch zeigt nicht nur auf, wie wir in diesen Schlamassel geraten sind, sondern wie
wir ihm entkommen können – und zwar endgültig.
|25| Kapitel 1
Der weiße Schwan
Wann begann der Boom? Vielleicht mit dem Beginn der Immobilienspekulation, als Börsenneulinge Vorstadtgrundstücke wie Aktien
kauften und verkauften und innerhalb weniger Wochen oder gar Tage ihre Gewinne verdoppelten und verdreifachten. Vielleicht
waren die Dinge allerdings auch schon früher aus dem Gleichgewicht geraten, als die Verheißungen einer neuen Ökonomie mit
einer neuen Technologie und neuen Branchen ganz gewöhnliche Menschen an die Wall Street lockten und sie dazu brachten, dort
ihre Ersparnisse aufs Spiel zu setzen.
Politiker warnten nicht etwa vor den Versprechungen des schnellen Reichtums, sondern stießen ins gleiche Horn. Kein geringerer
als der Präsident der Vereinigten Staaten verkündete, der Staat solle die Wirtschaft nicht behindern, und die Notenbank unternahm
nichts, um die ausufernde Spekulation einzudämmen. Neue Finanzprodukte wurden für ihren unersetzlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum
gepriesen. Wie Pilze schossen neue Finanzunternehmen aus dem Boden, um schwer durchschaubare Sicherheiten an unerfahrene Anleger
zu verkaufen und Millionen von Menschen Kredite zu großzügigen Konditionen zur Verfügung zu stellen.
Irgendwann schlug der Boom in eine Blase um. Jeder, von den Banken bis zu den gewöhnlichen Verbrauchern, verschuldete sich
bis über beide Ohren. Das geschah in der zweifelhaften, wenngleich |26| merkwürdig überzeugenden Vorstellung, dass die Preise nur weiter steigen konnten. Die meisten Ökonomen freuten sich: Der Markt
habe immer Recht, meldeten sie, und es sei ratsam, nicht einzugreifen. Eine Hand voll Mahner warnte vor einem bevorstehenden
Knall, doch sie wurde verlacht und ignoriert.
Als die Krise schließlich zuschlug und die gesamte Wall Street erfasste, gerieten traditionsreiche Finanzunternehmen unter
dem Ansturm der verschreckten Gläubiger ins Wanken. Der Sturm flaute immer wieder ab, und manche Beobachter verkündeten prompt,
das Schlimmste sei überstanden. Doch dann verschlechterte sich die Situation zusehends. Finanzunternehmen wurden in den Abgrund
gerissen, und obwohl einige wenige Investmentbanken – ganz besonders Goldman Sachs – dem Strudel entkamen, gab es für andere
alteingesessene Unternehmen keine Rettung. Kredite wurden eingefroren, das gesamte Finanzsystem kam zum Erliegen, und selbst
kreditwürdige Unternehmen suchten händeringend nach Möglichkeiten, ihre Kredite zu refinanzieren.
Mit dem Absturz des Aktienmarkts wurden Kredite gekündigt, Unternehmen gingen reihenweise pleite, und die Verbrauchernachfrage
brach ein. Betrügerische Anlagegeschäfte kamen ans Licht, und es wurde erkennbar, dass in der Finanzwelt Betrug und geheime
Absprachen an der Tagesordnung waren. Die Probleme griffen rasch von den Vereinigten Staaten auf den Rest der Welt über, und
ausländische Aktienmärkte, Banken und Investmentfirmen brachen zusammen. Die Arbeitslosigkeit schoss in die Höhe, die Industrieproduktion
stürzte ins Bodenlose, und angesichts der sinkenden Preise ging die Angst vor der Deflation um. Es war das Ende einer Epoche.
All das ereignete sich nicht etwa vor wenigen Monaten, sondern vor über 80 Jahren, zu Beginn der Weltwirtschaftskrise. 1 Damals wie heute trugen Spekulationen auf dem Immobilien- und dem Aktienmarkt, minimale staatliche Aufsicht und eine Vielzahl
neuer Finanzprodukte dazu bei, eine Blase zu schaffen, deren Platzen den Beinahe-Zusammenbruch der Wall Street, einen heftigen |27| wirtschaftlichen Niedergang und eine weltweite Krise zur Folge hatte. Es ist kein Zufall, dass die jüngsten Ereignisse derart
erschreckende Parallelen zu einer Jahrzehnte zurückliegenden wirtschaftlichen Katastrophe aufweisen: Dieselben Kräfte, die
die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre auslösten, waren auch in den Jahren vor unserer Weltfinanzkrise aktiv.
Es ist auffällig, dass viele der Merkmale, die diese beiden Krisen auszeichnen – der irrationale Überschwang, die lawinenartige
Verschuldung, die Innovationen auf dem Finanzmarkt, die Überbewertung von Anlagen, die Panik, der Ansturm auf Banken und
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