Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
unserer Welt zu verorten, war und ist eines der Ziele von Google, aber auch einer Vielzahl anderer Unternehmen. Die Wissenschaft, die dahinter steht, heißt Geospatial Science oder auch Geographic Information Science. Um sicherzustellen, dass ein international etablierter Standard für den Austausch und den industriellen Umgang mit Geodaten und den damit verbundenen Systemen entsteht, wurde 1994 das Open Geospatial Consortium als OpenGIS gegründet. Derzeit gehören dem OGC über 400 aktive Mitglieder an, darunter auch namhafte Unternehmen wie Google, IBM, die NASA, Autodesk, ESRI, Intergraph, Microsoft, Oracle und auch das MIT.
Seit 2007 ist der Italiener Euro Beinat Professor für „Location Based Services“ am Z_GIS-Zentrum für Geoinformatik an der Universität Salzburg. Diese Einrichtung stellt ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum dar, das mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, mit öffentlichen Organisationen und NGOs weltweit vernetzt ist. 97 Professor Beinat ist sicher, dass „Big Data sehr stark mit geografischen Daten zu tun haben wird, besonders wenn man an den sogenannten mobilen Datenabfall denkt, der immer stärker mit geografischen Daten verbunden ist“. Der Einfluss wird über alle Industrien und Nutzungsbereiche hinweg spürbar werden und alle betreffen. „Wenn ich persönlich auf ein spezielles Feld wetten sollte“, meint Beinat, „dann würde ich auf Kundenbetreuung und -management, Epidemiologie und den Gesundheitsbereich setzen.“
Beinat, der sich in seinem „Current City Project“ gemeinsam mit dem „Senseable City Lab“ des MIT in Cambridge intensiv mit der Frage von unkonventionellen, neuen Lösungen für Gestaltung und Entwicklung unserer Städte auseinandergesetzt hat, sieht vor allem die urbanen Bereiche als die wichtigsten Biotope für die Entwicklung von kollektiver Intelligenz auf der Basis von Big Data und den Tools von GIS: „Wenn wir smartere Kommunen entwickeln wollen, dann müssen wir Wege finden, um kollektive Intelligenz und den natürlichen Netzwerkeffekt zu nutzen, der sich in urbanen Gebieten entwickelt. Wenn wir die zunehmende Digitalisierung unserer Arbeit und unseres Lebens betrachten, die Automatisierung vieler urbaner Vorgänge, die wachsende Verbindung zwischen der physischen und der digitalen Welt und vielleicht auch das Verschwinden der physisch-digitalen Grenze, dann sehen wir, dass Städte und Communitys ganz allgemein neuen Paradigmen unterworfen sein werden. Daten als Währung, Verlässlichkeit der Informationen, Daten-Stille, Filterblasen und ähnliche Themen werden Teil der urbanen Diskussion sein. So wie es jetzt Transport, Innovation und Globalisierung sind. Wir werden eine Veränderung unserer Sichtweisen und Prioritäten erleben“.
Viele der durch Geoinformatik möglichen digitalen Verortungen sind schon die Basis von neuen Geschäftsmodellen – oder werden es noch werden. Ein davon immer stärker involvierter Bereich ist der Zahlungsverkehr. „Wir sehen das bereits in indirekter Weise in den Tools, die geografische Daten in Zusammenhang mit Kreditvergaben und Betrugsaufdeckung verwenden“, sagt Beinat, „mobile Kommunikation, Geografie und Geld sind immer miteinander verbunden, auch wenn das im Hintergrund geschieht und uns als Konsumenten gar nicht bewusst wird.“
Schon vor längerer Zeit hat Euro Beinat den Begriff des „Collective Sensings“ geprägt, der nun auch immer stärkere Verwendung in der Big-Data-Diskussion erfährt. „Wir hinterlassen tausende digitale Spuren jeden Tag, wenn wir irgendein Gerät oder einen Dienst nutzen, der eine digitale Funktion hat. Auf der persönlichen Ebene generieren sie private Daten, zusammen genommen offenbaren sie kollektives Verhalten und machen damit die bisherigen Methoden, wie wir die Stadt vermessen haben, obsolet. Plötzlich werden Muster und Verhaltensweisen sichtbar, die bisher weder technisch noch ökonomisch sinnvoll messbar waren.“
Nicht nur für Kommunen und Staaten wird die vorausschauende Analyse dieses „kollektiven Verhaltens“ ein wichtiges Planungs-Tool. Auch für Lifestyle-Studien, die es großen Marken und Industrien erlauben, zukünftigen Bedarf und neue Dienstleistungsbereiche zu ermitteln, ist das ein wichtiger neuer Blickwinkel und kann zu einem echten Wettbewerbsfaktor werden. Eines der Felder, auf das sich Beinat mit seinen Studenten derzeit konzentriert, ist der Tourismus. „Wir verwenden dabei viel Zeit darauf, die Bewegungsdaten der
Weitere Kostenlose Bücher