Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
immer besser vorausberechenbar. Wir sind dem Zufall auf der Spur. In immer mehr Bereichen können wir ihn durch Vorhersagemodelle und Simulationen kommender Geschehen ausschalten. Und wir werden darin immer besser werden. Denn je mehr unser Leben von Produkten und Dienstleistungen dominiert wird, dessen Geschäftsmodelle auf der Auswertung von Daten beruhen, desto mehr Daten werden durch die Nutzung dieser Angebote wiederum erzeugt, gespeichert und erneut verarbeitet.
Schon 2008 hat Chris Anderson, Chefredakteur beim „WIRED Magazine“, eine heikle Debatte losgetreten. Er titelte damals: „Das Ende der Theorie: Die Datenfülle macht die wissenschaftliche Methode obsolet“. Das Zeitalter der Daten im „Petabyte“-Ausmaß erfordere einen neuen Zugang. Wissenschaftler sind darauf trainiert, dass Korrelation noch keine Kausalität ist und keine Schlüsse gezogen werden dürfen, die nur auf der Basis einer Korrelation beruhen. Es könnte ja doch nur Zufall sein. Man benötigt ein Modell, eine Theorie, erst dann kann man Datensätze damit verknüpfen. Aber im Big-Data-Zeitalter ist dieser Zugang, wie Anderson meinte, überholt. Es gibt einen besseren Weg. Das Riesenausmaß der Daten erlaubt uns zu sagen, „Korrelation reicht“. Wir können Daten analysieren, ohne vorher ein Modell von dem zu haben, was sie zeigen könnten. Wir werfen die Daten in die großen Analysemaschinen und statistische Algorithmen finden Muster, wo die Wissenschaft bisher keine erkennen konnte. Das „Was“ genügt, zumindest zunächst, das „Warum“ kann später kommen. Google eroberte die Welt der Werbung, ohne jede klassische Fachkenntnis in dieser Sparte, einfach nur mit angewandter Mathematik. Die Kultur oder Konventionen des Werbegeschäfts zu verstehen strebte Google gar nicht an, sondern setzte darauf, dass bessere Daten und bessere Analysewerkzeuge am Ende gewinnen werden. Und Google behielt recht. Auch wenn die pointierte Formulierung vom Ende der Theorie als überzogen kritisiert wurde, rund fünf Jahre nach dieser Aussage zweifelt niemand mehr, dass das, was Anderson die „Datenflut“ nannte, auch die Wissenschaften in allen Bereichen tiefgreifend berührt. 6
In den folgenden Kapiteln möchte ich anhand von Beispielen zeigen, wo und wie weit wir Gottes Würfelspiel schon auf der Spur sind und wie sehr wir dadurch den Zufall ausschalten können. Die geschäftlichen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, so sagen alle Studien der internationalen Beratungsfirmen, aber auch vieler internationaler Organisationen wie etwa des Weltwirtschaftsforums in Davos, werden in Zukunft das Wachstum und die Etablierung neuer Geschäftsmodelle in fast allen Bereichen ankurbeln. Wir werden eine noch intensivere Berechenbarkeit unserer Welt erleben, als dies schon jetzt der Fall ist. 7
Wir brauchen ein breiteres Verständnis und neue gesellschaftliche Regeln im Umgang mit den Chancen und Gefahren der Big-Data-Revolution. Sonst würfelt nicht mehr Gott, sondern nur mehr eine Handvoll Datenkonzerne wie Google, Amazon, eBay und Facebook.
Zufall tut weh
Es ist eines dieser typischen Geschäftsessen. Spät, alles schon gesagt, und doch zieht es sich hin. Sie haben Ihrer Frau eine SMS geschickt, dass es spät werden wird und sie nicht auf Sie warten soll. Endlich sind auch der Kaffee und der obligate Digestiv absolviert und Sie zu Hause angekommen. Ihre Frau hat Ihnen für morgen schon den richtigen Anzug hergerichtet und Sie machen sich daran, möglichst ohne sie aufzuwecken ins Bett zu schlüpfen. Doch im Bett liegt eine andere, fremde Frau!
Die Chancen, dass Sie dieser Frau liebevoll über den Kopf streichen, dabei „Danke für den Anzug, Liebes“ flüstern und beruhigt einschlafen, ist nicht so gering, wie Sie jetzt vielleicht vermuten. Es kann auch sein, dass Ihr erster Gedanke ist: „Wieso sieht meine Frau plötzlich so anders aus?“ Alles in Ihnen wehrt sich, diese Frau als fremde Frau zu erkennen. Warum eigentlich, wenn die Situation doch eindeutig ist?
Verantwortlich dafür ist die Funktionsweise unseres Gehirns. Solange es geht, möchte es das wahrnehmen, was es als erwartetes Bild vorbereitet hat. Wie neue Ergebnisse der Hirnforschung 8 zeigen, versucht es nämlich konsequent, den Aufwand für Wahrnehmungs- und Interpretationsarbeit so ökonomisch wie möglich zu gestalten. Es agiert gleichsam im Energiesparmodus. Jedes Mal, wenn es mit einer neuen Information oder Situation konfrontiert wird, nimmt es daher diese Situation
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