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Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Titel: Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Klausnitzer
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nicht in ihrer Gesamtheit neu auf, sondern prüft sie nur auf Abweichungssignale von der erwarteten Situation. Deshalb ist Ihr Gehirn in diesem sehr speziellen Fall der fremden Frau in Ihrem Bett mit einem kognitiven Mega-Gau konfrontiert: Es vergleicht seine Vorhersage, nämlich das erwartete Bild Ihrer Frau, mit den über die Sehnerven hereinkommenden Signalen und verzeichnet massive Divergenzen. Was fast so etwas wie körperlichem Schmerz gleichkommen kann.
    Da unser Gehirn seine frei verfügbaren Energien aber für potenziell lebenswichtigere Prozesse reservieren möchte als für die banale Frage, wer jetzt im Ehebett liegt, trachtet es danach, den Bearbeitungsprozess auf den unterschiedlichen Ebenen so zu steuern, dass die verarbeiteten Signale mit dem erwarteten Bild übereinstimmen. Es versucht also – etwas platt formuliert –, die Signale der Sinnesorgane so zu deuten, dass sie mit der Vorhersage im Einklang stehen.
    Gehirnforscher sind der Meinung, dass dieser Top-down-Vorgang der Bereitstellung einer Vorhersage den Bottom-up-Prozess der Dateninterpretation und der daraus erfolgenden Sinneswahrnehmung in hohem Ausmaß beeinflussen kann. Deshalb kann es auch gut möglich sein, dass Sie gar keinen Schock erleben, sondern im Glauben, alles sei so wie immer – Ihr Gehirn hat Ihre Sehwahrnehmung sehr freizügig interpretiert –, friedlich neben der fremden Frau einschlafen. Oder sich eben einfach nur fragen, warum Ihre Frau plötzlich so anders aussieht. Genau diesen Konflikt hat nämlich Ihr Gehirn gerade zu lösen versucht. Ungewissheit und die Abweichung von dem, was wir erwartet haben, erzeugen für unser Gehirn Mühsal, die es vermeiden will. Und der Zufall ist dabei sein größter Feind.
    Unser Gehirn ist eine riesige Vorhersagemaschine, die zu antizipieren versucht, was jeden Moment als Nächstes geschieht. Das ist neben den grundsätzlichen, lebenserhaltenden Funktionen, die das Gehirn zu erfüllen hat, eine seiner wichtigsten Aufgaben. Ohne diese Prognosekompetenz könnten wir mit der Komplexität der Welt nicht umgehen. Sie ist die Basis unserer Intelligenz.
    Wir sehen nicht nur, sondern wir berechnen voraus, was wir im nächsten Moment sehen werden. Wir hören nicht nur, sondern wir rechnen daraus hoch, was wir als Nächstes hören werden. Deshalb gefällt uns auch Musik, besonders wenn sie wiederholende Muster enthält. Weil unsere Erwartungshaltung in Bezug auf diese Muster erfüllt wird. Und wenn es noch dazu ein Stück ist, dessen Muster wir sehr gut kennen und deshalb schon wissen, dass unsere Prognose eins zu eins realisiert wird, brechen wir spontan in Applaus aus. Und zwar sofort und mitten ins Stück hinein.
    Jedes Mal, wenn unser Gehirn Unvorhersagbarkeit registriert, versetzt es das Wahrnehmungs- und Reaktionssystem in Alarmzustand. Jedes Mal, wenn es Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Eintritt des erwarteten Zustands verzeichnet, gibt es eine Belohnung durch Ausschüttung von Dopamin, dem Belohnungsbotenstoff, der einer der wichtigsten hormonalen Motivatoren für unser Handeln ist. Und von dem können wir gar nicht genug kriegen. Unser Hirn versucht also, ständig in die Zukunft zu sehen und jene Bilder parat zu haben, mit deren Hilfe es die Daten aus unseren Sinnesorganen sinnvoll einordnen kann. Es produziert aus der Datenbank unserer Erfahrung ständig neue Bilder, die verifiziert und als Basis für die nächste Vorhersage verwendet werden. Google hat diesen Mechanismus mit „Autocomplete“ im Bereich der Suchmaschinen nachempfunden: Bevor wir noch unsere Frage fertig getippt haben, bekommen wir schon erste Ergebnisse geliefert. Die Suchmaschine versucht vorherzusagen, was wir fragen werden. Alles, was wir tun müssen, ist zu entscheiden, ob die Maschine mit ihrer Vorhersage richtig gelegen ist.
    Damit unser Gehirn die nötigen Bilder bereitstellen kann, sorgt es dafür, dass wir Lust zur Konsumation von Information haben. Denn aus den Informationen, die wir aufnehmen, kann unser Gehirn jene Bilder produzieren, die es für seinen Vorhersagevorgang braucht. Damit wird auch klar, warum wir die TV-Nachrichten einschalten, obwohl wir keinen Anlass dafür haben, warum wir Headline Service und viele Newsletter abonnieren und sich das bis zu einer echten News-Abhängigkeit steigern kann. Information ist die Nahrung für das Vorhersagemodell unseres Hirns. Je mehr Bilder vorhanden sind, desto leichter finden wir ein Vorhersagebild, das als Brücke zwischen Erwartungshaltung und

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