Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
verständlicher Form ermöglicht es dem Einzelnen, die Auswirkungen seines Handelns – auch wenn sie in aufwendigen algorithmischen Modellen analysiert wurden – zu verstehen und darauf in Echtzeit zu reagieren. Dort, wo „Prescriptive Analytics“-Systeme auch gleich Handlungsoptionen ausarbeiten und „Wenn/dann“-Szenarien dargestellt werden sollen, ist dies noch unabdingbarer. Weil Zusammenhänge nur in Bildern und Grafiken, nicht aber in langen Zahlenreihen überblickbar sind.
Als ich Professor Euro Beinat, den Geoinformatics-Professor fragte, was er gerne machen würde, wenn er für ein Projekt unlimitierte finanzielle Unterstützung erhielte, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen und überraschte mich einigermaßen: „Ich würde eine Schule für ,Design für eine datengetriebene Welt‘ etablieren, eine Schule im Verständnis der griechischen Antike, wo wir experimentieren können, Objekte, Systeme oder Methoden testen, eine Philosophie dazu entwickeln und an der Schnittstelle zwischen Daten und Design Modelle in der Praxis erproben. Ich glaube, daraus könnte sich die Management-Wissenschaft der Zukunft entwickeln.“
Es war wieder einmal in Stanford, diesmal im Jahr 2003: Chris Stolte, ein junger Doktorand, der an Visualisierungstechniken für Datenbanken forschte, und sein Doktorvater, der berühmte Stanford-Professor Pat Hanrahan, Gründungsmitglied von Pixar, der Firma, die die Welt des animierten Films revolutionierte, entdeckten, dass Computergrafik eine große Rolle bei der Interpretation und Präsentation von Daten spielen kann. Sie entwickelten eine Technologie (VizQL), bei der die Visualisierung ein Teil der Datenanalyse ist, also ein Teil des Prozesses, und nicht erst im Nachhinein entsteht. Schnelle Datenanalyse und Visualisierung für jedermann also. Christian Chabot, der zu dieser Zeit gerade an der Stanford Business School studierte, war von dem, was die beiden da entwickelt hatten, begeistert. Zu dritt gründeten sie „Tableau“ und schon ein Jahr nach dieser Gründung wurde ihre Software von „PC Magazine“ zum Produkt des Jahres gewählt. Inzwischen ist Tableau ein globales Unternehmen und einer der Vorreiter des automatisierten Daten-Designs. Auf Tableau Public kann jeder selbst einmal ohne Kosten Daten-Designer spielen und seine eigenen Präsentationen entwickeln. Selbst große Organisationen wie „Wall Street Journal“ oder die UNESCO verwenden die freie Plattform für ihre Datenpräsentationen. 139
Datenvisualisierung und Data-„Storytelling“ werden also eines der Wachstumsgebiete des Big-Data-Zeitalters. Auch europäische Unternehmen wie zum Beispiel „NComVA AB“ in Schweden, ein Spin-Off des „National Center for Visual Analytics“ der Universität Linköping, haben inzwischen Plattformen und Funktionalitäten geschaffen, die es Unternehmen möglich machen sollen, vom eigenen Desktop aus ihre Daten in attraktives Storytelling zu verwandeln. Die Schweden dürfen Organisationen wie OECD, EU-Kommission, Eurostat oder IMF zu ihren Kunden zählen. 140
Ausbildungseinrichtungen in allen Bereichen müssen sich stärker der Vermittlung von Know-how auf diesem Sektor widmen und das kreative Spiel mit Daten und deren Präsentation zu einem integrierten Bestandteil aller Wissensgebiete machen. Es ist völlig unverständlich, dass große Organisationen und Konzerne Millionen für ihre Außendarstellung im Bereich des klassischen Marketings ausgeben, aber in der internen und externen Datenpräsentation und dem damit verbundenen Storytelling noch immer Powerpoint und Exel-Charts als den Standard der visuellen Kommunikation akzeptieren und Tag für Tag die Nachteile daraus in Kauf nehmen.
Data-Journalist: Storytelling mit Daten
Großbritannien 2009: Fünf Jahre lang hatte die Open-Data-Aktivistin Heather Brooke 141 darum gekämpft, dass die Spesenabrechnungsbelege britischer Abgeordneter offengelegt werden. Nun ist es so weit, Brooke hat vor dem Höchstgericht gewonnen, aber die Parteien wollen trotzdem die Veröffentlichung verhindern. Die Publikation von Teilen dieser Daten im „Telegraph“ sorgt dann aber dafür, dass am 18. Juni 2009 schlussendlich alle Spesenabrechnungsbelege auf einer speziellen Website der britischen Regierung ins Netz gestellt werden. Aber die Politik hat sich einen Trick ausgedacht. Sie stellt Unmengen von Daten auf einem Internetportal bereit – 700.000 Einzeldokumente in 5500 PDF-Dateien. Vier Jahre Spesenabrechnungen von allen
Weitere Kostenlose Bücher