Das Erbe der Azteken
Fuß aus. Die unsichtbare Kreatur kreischte erschreckt und verkroch sich im Unterholz.
Rivera blieb abrupt stehen und reckte die geschlossene Faust in die Luft. Es war das von allen Soldaten der Welt verwendete Handzeichen für »Stopp!«. Sein Partner blieb abrupt stehen, und zusammen gingen sie in die Hocke. Die Taschenlampen wurden abgeschirmt. Beide schauten sich aufmerksam um, lauschten. Die Taschenlampen flammten wieder auf, tasteten sich über die Bäume, verharrten gelegentlich. Rivera blickte über die Schulter und gab seinem Partner ein Zeichen. Zusammen erhoben sie sich, machten kehrt und drangen in den Wald ein. Dabei kamen sie direkt auf Sams und Remis Versteck zu.
Sam spürte Remis Hand auf seiner Schulter. Er griff danach und drückte sie.
Rivera und sein Partner kamen näher. Sie waren nur noch zehn Meter entfernt.
Dann fünf. Dann drei.
Sie blieben stehen, schauten nach links, nach rechts, und Lichtstrahlen drangen durch die Lücken zwischen den Bäumen rings um Sam und Remi. Zweige knackten. Rivera sagte flüsternd etwas zu seinem Partner. Sam und Remi spürten, wie der Holzstamm über ihren Köpfen ein paar Zentimeter absackte. Zwei Schuhspitzen schoben sich über den Rand des Baumstamms, und eine Taschenlampe leuchtete in die Vertiefung.
Fünf lange Sekunden verstrichen.
Die Taschenlampe wurde ausgeschaltet. Die Schuhspitzen wurden zurückgezogen, gefolgt von einem doppelten dumpfen Laut, als Rivera von dem Baumstamm herabsprang. Seine Schritte wurden leiser, waren schließlich nicht mehr zu hören.
Sam zählte in Gedanken bis einhundert, dann hob er den Kopf, bis er durch die Lücke blicken konnte. Als Schemen im Schein ihrer Taschenlampen deutlich zu erkennen, waren Rivera und sein Partner wieder zum Waldrand zurückgekehrt und gingen jetzt nach Süden in Richtung Sandwall. Sam blickte ihnen eine Zeitlang nach, dann beugte er sich zu Remis Ohr vor.
»Sie entfernen sich. Wir bleiben aber noch in unserem Versteck – für den Fall, dass sie zurückkommen.«
Während der nächsten zwanzig Minuten verhielten sie sich völlig still und machten sich in ihrem Versteck so klein wie möglich, bis sie schließlich in der Ferne die Motoren der Rinker-Boote anspringen hörten.
Sam flüsterte: »Hab noch ein wenig Geduld.« Er wartete weitere fünf Minuten, dann wälzte er sich unter dem Baumstamm hervor. »Ich schau mich mal um.«
Er verließ die Vertiefung und verschwand in der Nacht. Zehn Minuten später kehrte er zurück. »Sie sind weg.« Er half Remi aus ihrem Schlupfwinkel heraus.
Sie atmete zischend aus. »Ich hoffe nur, dass die Glocke all diese Mühen wert ist.«
»Nur noch ein paar Stunden, und wir sind auf dem Heimweg.«
Auf Ed Mitchells Wort konnte man sich verlassen, und zwar blindlings und unter allen Umständen. Die Sonne schickte kaum die ersten Strahlen durch den Wald im Osten, als sie auch schon das Flappen von Hubschrauberrotoren hörten. Zur Vorsicht hatten sich Sam und Remi wieder in ihr Versteck gezwängt und schauten nur gelegentlich heraus, während der Lärm zunahm. Im Westen sahen sie, wie ein gelb-weißer Bell-Hubschrauber über dem Strand erschien, landeinwärts schwenkte und dem Verlauf des Flusses folgte. Als er den Sandwall erreichte, öffnete sich die Pilotentür. Kurz darauf breitete sich bläulicher Rauch über dem Landeplatz aus. Sam und Remi schlängelten sich heraus und erhoben sich. Sam fragte: »Bereit zum Rückflug?« Remi schüttelte den Kopf, und er lachte. »Richtig. Tut mir leid. Erst eine heiße Dusche und ein Frühstück.«
Eine Stunde später landeten sie mitsamt der Kiste, die sicher festgezurrt im Frachtabteil des Helikopters stand, auf dem Ras-Kutani-Flugplatz. Während Mitchell loszog, um sein Auto für die Rückfahrt nach Daressalam zu holen, absolvierten Sam und Remi mit dem Satellitentelefon den längst überfälligen Anruf bei Selma.
»Wo waren Sie denn?«, fragte ihre lebende Datenbank und Suchmaschine. »Ich sitze seit Stunden am Telefon und warte.«
»Ist das Ihre Art, uns mitzuteilen, dass Sie sich Sorgen gemacht haben?«, wollte Remi wissen.
»Ja, das ist es. Und jetzt erklären Sie mir bitte, was los ist.«
Sam gab einen kurzen Abriss der letzten Tage und endete mit der Rettung der Glocke. Selma seufzte. »Ich wünschte, ich könnte mit einiger Sicherheit sagen, dass Sie Ihre Zeit nicht sinnlos vergeudet haben.«
»Was meinen Sie?«, fragte Sam.
»Wir haben gestern die erste Lieferung aus Mortons Museum erhalten. Dazu
Weitere Kostenlose Bücher