Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
nach. Spät am Abend getrunken, mochte somit ein Hopfenbier zu angenehmer Nachtruhe verhelfen. Johann meinte, das Bittere in der Gruit verringere die Gefahr von Fäulnis während der Gärungs- oder Lagerzeit, doch das erschien Madlen ähnlich fragwürdig wie die Schutzzauber, auf die Caspar so schwor und von denen noch keiner nachweislich gewirkt hatte. Aber da Johanns bisherige Vorschläge allesamt sinnvoll und nützlich gewesen waren, wollte sie sich auch diesem nicht von vornherein verschließen.
Er hatte das Wams ausgezogen und arbeitete im Hemd an der Feuerstelle. Seine Muskeln spannten sich, als er den großen Kessel anhob und den heißen Sud durch ein mit feinem Stroh ausgelegtes Korbgeflecht in ein leeres Gefäß goss, um die Abkühlung zu beschleunigen. Unterstützt wurde der Vorgang durch den einfachen Flaschenzug, den er eigens zu diesem Zweck an der Decke angebracht hatte. Caspar zog an dem Seil, während Johann mit dem an einem Haken hängenden, schweren Gefäß hantierte und vorsichtig die heiße Flüssigkeit herauslaufen ließ. Ein gelochter Kessel zum bequemeren Abseihen war auch schon beim Kupferschmied in Auftrag gegeben worden, obwohl Madlen angesichts der Kosten ein wenig Bauchgrimmen hatte. Es ließ sich nicht leugnen, dass sie, was ihre Ausgaben betraf, in der letzten Zeit ziemlich viele spontane und nicht immer vernünftige Entscheidungen getroffen hatte.
Der Nachmittag verstrich in emsiger Betriebsamkeit, jeder ging wieder seinen angestammten Aufgaben nach, wenn auch nicht alle bei gleich guter Stimmung. Irmla hatte sich, triefend vor Schweiß und denkbar übler Laune, wieder ins Haus zurückgezogen, um Cuntz und Veit zu versorgen, während alle anderen in der Braustube arbeiteten. Caspar und die Lehrjungen hatten lange Gesichter gemacht, als Madlen ihnen das Mittagsmahl gestrichen hatte, vor allem Caspar fühlte sich ungerecht behandelt und machte daraus keinen Hehl. Er verrichtete zwar widerspruchslos alle ihm auferlegten Arbeiten, trug dabei aber eine beleidigte Miene zur Schau. Auch Willi benahm sich bockig; einmal rempelte er Berni mit voller Absicht an und behauptete anschließend, es sei ein Versehen gewesen. Madlen war drauf und dran, ihm auch noch das Abendessen zu versagen, doch dann fand sie, es habe für heute schon genug Streit und Reibereien gegeben.
Schließlich war das Brauen für diesen Tag erledigt, das Feuer konnte herunterbrennen, der fertige Sud gären. Johann holte noch ein Fass Bier aus dem Keller und brachte es in die Schankstube, dann setzte er sich für eine Weile zu Veit in den Schuppen, bevor die beiden sich gemeinsam mit dem Gesinde sowie Madlen und ihrem Großvater rund um den großen Tisch in der Stube zum Essen versammelten. Irmla hatte gerade die Heringe aufgetragen und Cuntz zum Sprechen des Tischgebets angesetzt, als die Vordertür aufflog und zwei Männer in den Raum stolziert kamen. Ihre Stiefelsohlen hallten auf dem Boden, die dunklen Umhänge schwangen um ihre Gestalten, ihre Mienen verhießen nichts Gutes.
Irmla schrie vor Schreck auf und ließ das Brett mit dem Brot auf den Tisch fallen. Johann sprang auf, sein Schemel flog krachend um. Auch Caspar erhob sich, wenngleich etwas langsamer. Alle anderen blieben wie vom Donner gerührt sitzen. Madlen hatte die beiden Männer noch nie gesehen. Der Ältere war um die fünfzig und von bulliger Statur. Er war vornehm gekleidet, mit feinwollenen Beinlingen, teuren Lederstiefeln und einem Surcot aus bestem, schwerem Tuch. Doch nicht seine Aufmachung zog Madlens Blicke auf sich, sondern sein Gesicht, das vor Wut verzerrt war, und seine rechte Hand, die am Knauf seines Schwertes lag.
Der andere Mann war vielleicht zehn Jahre jünger, seine Gestalt eher sehnig als vierschrötig und seine Kleidung nicht ganz so edel. Sein Gesichtsausdruck spiegelte keine Angriffslust wider, sondern etwas anderes, Lauerndes, das Madlen beinahe noch schlimmer vorkam.
Bevor sie auch nur einen Ton hervorbringen konnte, hob der ältere der beiden Männer an zu sprechen.
»Sieh an, da ist er also, der verlorene Sohn, mithilfe unseres Stadtherrn dem Tod von der Schippe gesprungen und unter die Schürze eines Weibes gekrochen.« Der Mann spie die Worte förmlich hervor.
Madlen überwand ihren Schreck, sie fasste sich ein Herz und stand auf. »Was ist Euer Begehr? Welches Recht habt Ihr, einfach so in mein Haus einzudringen?« Sie hatte in scharfem Ton gesprochen, doch der Fremde achtete nicht auf sie. Er hatte den Blick auf Johann
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