Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
geheftet.
»Du weißt, warum ich hier bin!«, rief er, sich in seinen Zorn hineinsteigernd. »Man hat dich bei der Burg gesehen! Solltest du es noch einmal wagen, auch nur einen Fuß auf meinen Grund und Boden zu setzen, bist du tot! Und falls ich dich jemals in der Nähe meiner Tochter sehe, werde ich dafür sorgen, dass du es bereust, geboren zu sein!«
Madlen blickte von dem aufgebrachten Mann zu Johann, der mit weißem Gesicht mitten in der Stube stand. Seine Hände öffneten und schlossen sich, als könne er nicht entscheiden, was als Nächstes zu tun sei. Kurz zuckte seine Rechte zum Gürtel, wo sein Dolch hing, doch dann ließ er die Hand sinken und blieb reglos stehen. In seinen Augen loderte es.
»Dies hier ist mein Haus«, sagte Madlen zu den beiden Fremden. Sie sprach laut und bestimmt, das schwache Zittern in ihrer Stimme hörte nur sie selbst. »Ihr habt Euch unberechtigt Zutritt verschafft, denn hier gibt es nichts, was Euch gehört. Ich bin eine freie Bürgerin dieser Stadt. Wenn Ihr nicht auf der Stelle hinausgeht, werde ich beim Rat Klage gegen Euch erheben.«
Der ältere Mann starrte sie an, als sehe er sie zum ersten Mal, dann wandte er sich abrupt um und stürmte hinaus. Sein Begleiter warf einen abwägenden Blick in die Runde. Zuletzt schaute er Madlen von oben bis unten an und hob die Brauen, als gelte es, darüber nachzudenken, welche Bedeutung ihr zukam. Dann wandte auch er sich ab und folgte dem anderen nach draußen. Madlen war mit einem Satz bei der Tür und verriegelte sie. Fragend wandte sie sich zu Johann um, doch der nahm sich nur mit unergründlicher Miene ein Stück Brot vom Tisch und ging zur Hintertür.
»Was zum …« Madlen lief ihm hinterher, doch nach drei Schritten blieb sie stehen, denn Caspar und die Lehrjungen machten Anstalten, sich an ihre Fersen zu heften. »Ihr bleibt alle hier und esst!«, befahl sie.
Sie marschierte hinaus auf den Hof und sah Johann ins Sudhaus gehen. Eilig folgte sie ihm, doch ihr erster Versuch, ihn zur Rede zu stellen, wurde durch das Getöse übertönt, mit dem er einen leeren Siedekessel ergriff und ihn auf das hölzerne Gestell platzierte, wo er besser trocknen konnte. Den Brotkanten hatte er zwischen die Zähne geschoben, er verdeckte sein halbes Gesicht. Die Narben auf seinen Wangen und unter dem borstig nachwachsenden Haar seines Schädels waren unnatürlich rot, sein Blick angestrengt, der Rücken starr. Er war außer sich, setzte aber offenkundig alles daran, es zu verbergen.
»Was für Männer waren das, und was wollten sie?«, wiederholte Madlen ihre Frage.
Johann nahm das Brot aus dem Mund und ging zur Stiege. Er kletterte nach oben, ohne ihr geantwortet zu haben.
»Ich habe ein Recht, es zu erfahren!«, rief sie erzürnt, ihm auf dem Fuße folgend. Gerstenkörner und Spelzen fielen ihr ins Gesicht, was ihre Empörung noch steigerte. Dieser Fremde, der in ihrer Stube herumgeschrien hatte, war ganz offensichtlich der Vater einer Frau, der Johann sich auf unziemliche Weise genähert hatte. Vermutlich der Person, die ihm den Brief in die Hand gedrückt hatte. Einen Brief, auf dem sein Name stand, ganz oben in der ersten Reihe. Madlen hatte die Buchstaben sofort wiedererkannt, sie waren ihr gleich ins Auge gesprungen, als Johann ihr seinen Namen aufgeschrieben hatte.
»War er deshalb hier? Um dich zur Rechenschaft zu ziehen, weil du mit seiner Tochter herumgehurt hast? Warst du letzte Nacht bei ihr? War es die Heulsuse, die bei uns in der Schänke war?«
Johann drehte sich zu ihr um. »Was?« Bei all seiner Anspannung wirkte er verständnislos, doch Madlen fiel nicht darauf herein.
»Ich habe genau mitgekriegt, wie sie dir schöngetan hat! Und dir ihren Liebesbrief zugesteckt hat! Was hat sie dir geschrieben? Den Ort, wo du sie treffen sollst? Wie du es ihr besorgen sollst? Und du? Hattest du es derart nötig, dass du es nicht ausgehalten hast?« Sie hielt inne, entsetzt über das, was sie ihm gerade an den Kopf geworfen hatte. Sie klang fast wie Agnes. Ein unerträglich zänkisches, keifendes Weib, von dem jeder verständige Mann sich sofort mit Grausen abwenden musste.
Johann legte bedächtig das Brot auf die steinerne Einfassung der Tenne. »Mit einem hast du recht.«
»W-was?« Von glühender Verlegenheit erfüllt, brachte sie nichts hervor außer diesem einen gekrächzten Wort.
»Ich habe es wirklich nötig. Und ich kann es nicht mehr aushalten. Wahrscheinlich wird mich der Teufel dafür holen, und ganz sicher ist es ein
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