Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
zum Feiern. Schon am frühen Morgen hatten die Händler überall ihre Stände aufgebaut und ihre Waren ausgelegt. Die Gaddemen waren frisch bestückt, und überall in den Gassen und auf den Plätzen warteten die Garköche, Krämer und Schankwirte darauf, dass die Menge sich zu sammeln begann. Dazu kam es beizeiten, viele waren schon Stunden vorher da und stimmten sich mit Wein und Bier auf das bevorstehende Ereignis ein.
Auch Madlen und Johann hatten früh das Fuhrwerk mit Bierfässern beladen und es zum Heumarkt kutschiert. Hier würden die meisten Menschen zusammenströmen, denn in der Mitte des großen Platzes war die Richtstätte errichtet worden, ein großes hölzernes Podest mit dem Holzklotz, auf dem, für alle weithin sichtbar, an diesem Tage Wendel Hardefust der Kopf abgeschlagen werden sollte. Für seinen geringgeborenen Gefolgsmann war ein weniger aufsehenerregendes Ende vorgesehen, er sollte einige Tage später vor der Stadt gehenkt werden.
Madlen graute es vor dem Spektakel, doch Johann wollte dabei sein. »Ich will ihm noch ein letztes Mal in die Augen blicken.«
»Warum?«, hatte sie wissen wollen. »Aus Rache? Willst du ihn winseln und zittern sehen?«
»Nein, darum geht es mir nicht. Ich will sehen, ob er bereut. Ob er begriffen hat, was er getan hat.«
»Und wenn es so ist?«
»Dann kann ich vielleicht meinen Frieden mit ihm machen.«
Seine Schwester hatte es rundheraus abgelehnt, mit auf den Heumarkt zu gehen, so wie sie auch bei Jobsts Hinrichtung nicht zusehen wollte.
»Ihr Tod kann nichts mehr an dem ändern, was geschehen ist«, hatte sie lapidar zu Johann und Madlen gesagt. »Sie sterben zu sehen kann mir nichts geben, was ich nicht schon hätte.« Sie war an diesem Tag zu Madlen nach Hause gekommen, um Veit Gesellschaft zu leisten, der aus naheliegenden Gründen ebenfalls kein Interesse an der Hinrichtung hatte. Auch Cuntz war daheimgeblieben. »Ich habe in meinem Leben schon genug Köpfe rollen sehen«, hatte er abfällig gemeint. »Ein gemütlicher Tag in der Stube, mit einem scharfen Schnitzmesser und einem guten, frischen Stück Holz ist mir allemal lieber als stundenlanger Radau und Gedränge, bei dem alle nur auf einen einzigen Augenblick warten. Geht ihr nur hin und verkauft viel Bier, wenigstens dafür ist so ein Schauspiel ja immer gut.«
Caspar, Willi und Irmla hingegen hatten es sich nicht nehmen lassen, Madlen und Johann zu begleiten, sie hätten es fraglos übel aufgenommen, wenn Madlen ihnen nicht dafür freigegeben hätte. Die drei wollten vom Domplatz aus dem Zug mit dem Verurteilten bis zum Heumarkt folgen, damit ihnen nichts entging.
Auch die Nachbarn hatten sich bereits eingefunden, Madlen sah Hans und Agnes ganz in der Nähe stehen. Hin und wieder warf ihr Agnes herausfordernde, hasserfüllte Blicke zu, denen Madlen jedoch geflissentlich auswich. Sie war es einfach leid, sich dem ständigen Gezänk auszusetzen, außerdem hatte sie immer noch Schuldgefühle wegen Ludwig. Der arme Junge tat ihr leid. Johann erging es ebenso, doch auch er wusste nicht, was man an der ganzen Sache noch ändern sollte. »Achte einfach nicht auf sie«, empfahl er ihr. »Irgendwann wird sie schon aufhören, dich anzugiften.«
»Wenn ich nur wüsste, was sie gegen mich hat!«
Er schien erstaunt. »Ich dachte, das sei offenkundig.«
»Dann weißt du mehr als ich.«
»Sie ist eifersüchtig. Weil sie denkt, dass du ihrem Mann schöne Augen machst.«
Madlen lachte ungläubig. »Das ist verrückt.«
»Nicht sehr, wenn man Hans dabei beobachtet, wie er dich ansieht. Du bist eine überaus hübsche und begehrenswerte junge Frau, Madlen.«
Sie musterte ihn zweifelnd und suchte in seiner Miene nach Anzeichen dafür, dass er ihr Honig ums Maul schmieren wollte, doch er schien es ernst zu meinen. Sie merkte, wie sie errötete.
»Ich habe Hans niemals Grund gegeben, mehr in mir zu sehen als eine Nachbarin.«
»Das weiß ich doch. Aber wie es so ist mit der Eifersucht – sie bringt die Leute manchmal auf die dümmsten Gedanken.« Er bedachte sie mit einem kurzen Zwinkern. »Erst recht, wenn sie völlig unbegründet ist.«
Noch mehr Hitze stieg in Madlens Wangen, und hastig griff sie nach dem Becher, den ein herandrängender Kunde ihr reichte. Sie wandte sich dem Fass zu und zapfte Bier. Ihr Blick traf dabei auf ein bekanntes Gesicht in der rasch wachsenden Menge: Barthel, der an diesem Tag ebenfalls sein Bier unter die Leute bringen wollte. Sein Fuhrwerk stand kaum zwei Dutzend Schritte
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