Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Mann, den Johann getötet hatte. Sie lauschte nach draußen, doch außer den für einen frühen Sonntagmorgen üblichen Geräuschen war nichts zu hören. Man hatte ihn noch nicht gefunden. Es drängte sie, in den Garten zu laufen und über den Zaun zu schauen, doch Johann, der erriet, was sie dachte, zog sie unter den Blicken Irmlas und ihres Großvaters an sich und murmelte ihr ins Ohr, sie solle es sein lassen, weil es auffallen könne.
Sie gab sich alle Mühe, ihre Unruhe zu unterdrücken, doch wie es schien, gab es auch anderweitigen Grund zur Aufregung. Als sie zur Sonntagsmesse nach Sankt Aposteln kamen, standen die Leute entlang der alten Stadtmauer und auf dem Kirchplatz beisammen und redeten sich die Köpfe heiß.
Von Eberhard erfuhren sie, worum es ging, er teilte es ihnen freudestrahlend mit. »Der Hardefust und sein übelster Spießgeselle sind von den Bütteln des Greven verhaftet worden, schon heute wird ihnen der Prozess gemacht!«
Madlen fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, am liebsten hätte sie einen Freudenschrei ausgestoßen und Johann umarmt, doch da sie von zahlreichen Leuten umringt waren, beschränkte sie sich darauf, seine Hand zu nehmen und ihn erleichtert anzusehen. Sie hatten beide so sehr gehofft und gebangt, dass sein Plan aufgehen möge, nun war es gelungen, sie konnten endgültig aufatmen und ihr Leben in Sicherheit fortsetzen! Johann erwiderte den Druck ihrer Hand. Er versuchte, sich unbeteiligt zu geben, doch er konnte nicht verbergen, dass auch er sich von einer schweren Bürde befreit fühlte.
»Weiß man schon Näheres über die Anklage?«, wollte Johann von Eberhard wissen.
Der Braumeister schüttelte den Kopf. »Es soll um umstürzlerische Intrigen gehen, von denen der Erzbischof gestern Wind bekommen hat. Was niemanden verwundern dürfte. Der Mann ist der geborene Aufwiegler und Verschwörer. Mit ihm hat unser Erzbischof zweifellos den schlimmsten Edelmann in ganz Köln von der Bühne der Macht geholt.« Die für ihn ungewohnt blumige Ausdrucksweise zeigte, wie froh ihn diese neuerliche Entwicklung stimmte. Der Hardefust hatte stets die Reihen derer angeführt, die den Handwerksschöffen das Wasser abgraben wollten.
Madlens Blick fiel auf Jacop, der sich im Schatten seiner Eltern hielt und kreuzunglücklich wirkte. Für ihn entwickelte sich das Leben offenbar ganz anders als erhofft. Sie wusste durch Johann, dass Hermann Jacop untersagt hatte, besagte Appolonia weiterhin aufzusuchen, zur Strafe, weil er wichtige Nachrichten unterschlagen hatte.
»Unser Leben hätte davon abhängen können«, hatte Johann grollend dazu gemeint. »Und das seines Vaters obendrein.«
Dennoch hatte Madlen Mitleid mit Jacop. Bedauernd blickte sie ihn an, aber er wich ihren Blicken aus.
Auch Barthel lief ihnen wenig später beim Betreten der Kirche über den Weg. Verlegen griff er sich an die Mütze, als er sich ihnen unversehens gegenübersah. Madlen grüßte ihn mit freundlicher Zurückhaltung, worauf er etwas Unverständliches stammelte und Johann einen Blick zuwarf, der zwischen Hass und Furcht schwankte. Gleich darauf hatte er sich an ihnen vorbeigedrängt und verschwand in der Kirche.
In Madlens Erleichterung über die Verhaftung von Johanns Feinden mischte sich wachsendes Unbehagen.
Nach der Messe saßen sie gerade beim Mittagsmahl, als draußen jemand anfing zu schreien. Es war ein abgerissenes, raues Gebrüll, das klang, als litte jemand Höllenqualen. Sofort sprang Johann vom Tisch auf und lief zur Hintertür, gefolgt von Madlen, Caspar und den Übrigen.
Unseligerweise war es Ludwig, der den Toten hinter dem Garten seiner Eltern entdeckt hatte.
»Hat er sich wehgetan?«, fragte Willi. »Oder warum schreit der so?«
»Sieht aus, als hätte er Angst«, meinte Irmla. »Der arme Tropf!«
Ludwig stand am rückwärtigen Zaun des Nachbargrundstücks und brüllte aus Leibeskräften. Nur Augenblicke später kam Agnes angerannt, die ihn packte und schüttelte und wissen wollte, was los war, und als sie Madlen und die Ihren nebenan im Garten versammelt und beklommen herüberschauen sah, verwandelte sie sich in eine Furie. »Was habt ihr ihm getan? Was habt ihr mit meinem armen Ludwig gemacht?«
Hans kam dazu und versuchte, seinen Sohn zu beruhigen, worauf Ludwigs Brüllen in abgehacktes Schluchzen überging. Der Junge deutete über den Zaun auf das verwilderte Gelände und ließ dabei ein unartikuliertes Gestammel hören, aus dem sich nur allmählich einzelne Sätze
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