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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Fall wäre es Diether womöglich schlimmer ergangen als Sewolt, denn er hatte sich leichtsinnigerweise als Frau kostümiert. Vielleicht hätte es Vater beim Anblick der frivol gekleideten Gestalt sogar selbst übernommen, Diether zusammenzuschlagen, statt es Jobst zu überlassen. Simon war ohnehin davon überzeugt, dass sein Vater Diether nur deshalb noch auf der Burg duldete, weil er ein so herausragender Fechter und Reiter war und im Bogenschießen traf wie kein Zweiter. Sogar der Waffenmeister, der auf Geheiß Wendels regelmäßig nach Bergerhausen kam, war gegen Diether ein Stümper. Es lag auf der Hand, dass Wendel immer noch hoffte, etwas von Diethers wünschenswerten Fähigkeiten möge auf Simon übergehen. Es fiel ihm leicht, überall herumzuerzählen, dass Diether der Knappe seines Sohnes sei, ganz ungeachtet der Tatsache, dass Simon weder ein Ritter war noch je einer werden würde, auch wenn Wendel enorm viel Geld lockergemacht hatte, damit sein Sohn sich so nennen durfte, mit Schwertleite und Eintrag in die Wappenrolle und erzbischöflichem Lehen. Simon fehlte nicht nur die jahrelange, harte Ausbildung, die wirkliche Ritter vorzuweisen hatten, sondern auch der nötige Wille. Er hasste es, sich an den Waffen zu üben, und tat es nur, weil es Diether Spaß machte. Und natürlich weil sein Vater es so wollte.
    Das Beste an dem Leben hier war noch, dass er mit Diether zusammen sein konnte und seinen Vater nicht übermäßig oft sah. Ansonsten konnte er der Burg und der Einöde ringsum nicht viel abgewinnen, viel lieber wäre er in Köln geblieben. Das hätte jedoch bedeutet, es tagaus, tagein mit Vater auszuhalten, so wie früher, als er deswegen so krank vor Melancholie geworden war, dass auch noch so häufiges Prügeln es ihm nicht hatte austreiben können.
    Sein Leben auf der Burg wäre gewiss um einiges friedvoller gewesen, hätte sein Vater nicht ständig mit solchem Nachdruck die Fortschritte bei den Waffenübungen überwacht. Ginge es nach Wendel Hardefust, könnte es recht bald den nächsten Krieg oder wenigstens eine Schlacht geben, damit Simon Gelegenheit bekam, seine Kampfkraft unter Beweis zu stellen und den Namen seiner Familie mit Ruhm und Ehre zu überhäufen.
    Simon hasste allein schon den Gedanken daran.
    Diether trat mit besorgter Miene zu ihm. »Jobst?«, fragte er, als er sah, wie übel Sewolt zugerichtet war.
    Simon nickte nur. Die Tränen liefen ihm immer noch übers Gesicht, er fühlte sich gedemütigt und machtlos. Er wusste ganz genau, dass Sewolt die Prügel bezogen hatte, die ihm selbst zugedacht waren, und sein Vater wollte, dass ihm das klar war, deshalb hatte er dafür gesorgt, dass es in seiner Gegenwart geschah. Damit er jeden einzelnen, mit Bedacht ausgeführten Hieb genau verfolgen konnte. Das Knirschen hörte, mit dem Sewolts Nase brach. Das dumpfe Krachen, als sein Kopf bei dem Schlag aufs Kinn gegen die Mauer prallte. Das Ächzen beim Kniestoß in die Rippen. Den gequälten Aufschrei beim Tritt zwischen die Beine.
    Diether packte mit an und half ihm, er stützte Sewolt von der anderen Seite, und gemeinsam brachten sie ihn zur Außentreppe, die zum Eingang der Kemenate hinaufführte. Die Füße des Burgvogts schleiften auf den hölzernen Stufen, während sie ihn nach oben bugsierten. Jobst hatte ihm schlimm zugesetzt, der Mann schwankte am Rande einer Ohnmacht.
    Vor dem Kamin im großen Saal hockten Simons Freunde, tropfnass von dem unfreiwilligen Bad im See. Die Hausmagd hatte sie mit Decken versorgt, und jemand hatte ihnen dampfende Punschbecher in die Hand gedrückt. Der Knecht hatte Holz nachgelegt, das Feuer loderte hell und wärmend. In den Wandhalterungen brannten Kienspäne, die den Saal in mildes Licht tauchten.
    Gemeinsam mit Diether brachte Simon den stöhnenden Burgvogt in dessen Kammer. Vorsichtig betteten sie ihn auf sein Lager. Simon wischte sich mit dem Ärmel das tränennasse Gesicht ab und zuckte zusammen, weil seine Wange brannte. Er tastete die Stelle ab und betrachtete seine Fingerspitzen. Blut, aber nicht allzu viel, nur eine unbedeutende Wunde, die ihm sein Vater offenbar mit der Kante seines Siegelrings zugefügt hatte. Nichts gegen die Blessuren, die Sewolt davongetragen hatte.
    Simon rief nach der Magd und befahl ihr, sich um den Burgvogt zu kümmern. Anschließend kehrte er in den Saal zurück, doch er setzte sich nicht zu den anderen ans Feuer, sondern blieb beim Fenster stehen. Nur einer von den Klappläden war noch offen. Die Sonne würde bald

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