Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Stiefel, doch das hielt ihn nicht davon ab, mit beiden Händen den Kahn zu packen und ihn zum Kentern zu bringen. Verschrecktes Gekreisch begleitete dieses abrupte Ende der Bootsfahrt. Strampelnd fielen die jungen Leute ins Wasser. Wendel ergriff einen der Männer beim Schopf und tauchte ihn unter, dann verfuhr er ebenso mit dem zweiten, bevor dieser richtig merkte, wie ihm geschah. Sie zappelten heftig, doch Wendel hielt sie eisern fest.
Er kannte die beiden. Der eine war ein Sprössling der Overstolzen, der andere ein Schöffensohn aus der Lintgasse. Reiche, eingebildete Taugenichtse alle beide, aber er würde ihnen schon beibringen, was es bedeutete, einen Hardefust zum Narren zu halten!
Langsam zählte er bis zehn, bevor er sie wieder auftauchen ließ.
»Lasst euch ja nie wieder hier blicken!«, schrie er sie an.
Hustend und spuckend wateten die beiden jungen Männer an Land. Auch die Frau rettete sich ans Ufer. Triefend nass und unter durchdringendem Geheul taumelte sie den Männern hinterher. Gemeinsam erklommen sie den Wall bei der Zugbrücke und verschwanden durch das Tor.
Wendel achtete nicht länger auf sie. Inzwischen hatten auch die übrigen Gäste mitbekommen, dass die Feier vorbei war – der Lärm im Rittersaal war verstummt.
Jobst trat zur Seite und ließ Sewolt zu Boden sacken. Der Burgvogt hielt sich den Leib und stierte blicklos vor sich hin. Sein Gesicht war voller Blut, doch Wendel machte sich keine Sorgen um ihn. Jobst wusste immer genau, wann es genug war. In ein paar Tagen würde Sewolt sich erholt haben, mochten ihm dann auch ein oder zwei Zähne fehlen und die Rippen noch eine Weile schmerzen. Vergessen würde er den Denkzettel jedoch bestimmt nicht. Manche Leute begriffen nur auf diese Weise, was richtig war. Man musste sie mit entsprechenden Maßnahmen dazu bringen, einen zu fürchten, es ging nicht anders. Die Welt war ein heimtückisches Schlangennest, nur die Schnellen und Entschlossenen konnten sich dauerhaft behaupten.
»Mir reicht es hier, wir gehen«, sagte Wendel zu Jobst. Er fühlte sich wie ausgehöhlt, sein Zorn war restlos verraucht. Die Hände taten ihm weh, er hatte sie am Bootsrand aufgeschürft und sich etliche Splitter in die Haut gezogen. Und er war müde wie nach einem langen Marsch. Ein beklemmender Schmerz breitete sich in ihm aus, von dem er nicht wusste, woher er kam, eher aus seiner Brust oder eher von seinen Eingeweiden; er schien überall zu sitzen. Mit einem Mal sehnte Wendel sich nach der Wärme eines Kaminfeuers, und das hatte nichts mit dem eisigen Wasser in seinen Stiefeln zu tun. Er wollte einfach nur Ruhe und Frieden.
Erschöpft wandte er sich zu Simon um. Der Junge war zu dem Burgvogt gegangen und hievte ihn hoch. Er legte sich den Arm des Älteren um die Schultern, um ihn zu stützen. Wendel betrachtete die beiden Jammergestalten, doch etwas zwang ihn, den Blick rasch wieder fortzuwenden. Jobst hingegen musterte Simon und Sewolt gründlich, doch der Ausdruck in seinen Augen zeugte von einem eher distanzierten Interesse, als gingen ihn die Geschehnisse eigentlich nichts an.
Manchmal beneidete Wendel Jobst um seine Beherrschung. Er ließ die Dinge nicht zu nah an sich heran und bewahrte sich auf diese Weise immer einen kühlen, klaren Kopf. So behielt er alles unter Kontrolle, vor allem seine Gefühle. Hass, Enttäuschung, Wut – Jobst ließ sich nur selten davon beeinflussen, seine Taten waren stets durchdacht, und auch die ihm erteilten Befehle befolgte er keineswegs blindlings, sondern gerade so, wie er es für taktisch klug und richtig hielt.
Allerdings fehlte ihm auch der Ehrgeiz, über den Wendel in hohem Maße gebot. Das war auch der Grund, warum Wendel einer der wichtigsten Männer in der Richerzeche war und Jobst nur ein bezahlter Handlanger. Von daher musste alles zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Entscheidend war immer nur, was am Ende herauskam.
Wendel atmete tief durch, der Schmerz in seinem Inneren ließ nach. Er wandte sich ab und ging zu den Pferden.
Simon wartete, bis sein Vater und Jobst aufgesessen und über den Wall, der das Gelände der Wasserburg mit dem gegenüberliegenden Seeufer verband, davongeritten waren. Erst als sie im Wald verschwunden waren, wagte er, den wankenden und stöhnenden Sewolt in Richtung Burgtor zu schieben. Diether kam ihm bereits entgegen, und Simon sprach ein stummes Dankgebet, dass der Freund nicht draußen vor der Mauer gewesen war, als sein Vater und Jobst aufgetaucht waren. In dem
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