Das Erbe der Elfen
gewidmet.«
»Die Dichtkunst«, murmelte er mit einem Blick auf das Hühnchen, »hat ihre eigenen Gesetze. Niemand soll sich gekränkt fühlen ...«
»›Haare wie ein Rabenflügel, wie ein Sturm bei Nacht‹«, zitierte Yennefer übertrieben pathetisch, »›in den veilchenblauen Augen schlummern Blitze ... ‹ Ging das so?«
»So hatte ich dich in Erinnerung.« Der Dichter lächelte ein wenig. »Wenn jemand behaupten will, diese Schilderung sei gelogen, der werfe den ersten Stein nach mir.«
»Ich weiß nur nicht« – die Zauberin presste kurz die Lippen zusammen –, »wer dich ermächtigt hat, meine inneren Organe zu beschreiben. Wie hieß es doch? ›Gleicht ihr Herz doch dem Juwel, das den Hals ihr schmückt, wie ein Diamant so hart, wie Demant so fühllos, schärfer als Obsidian, schlägt es Wunden tief ... ‹ Hast du dir das selber ausgedacht? Oder hat vielleicht ...« Ihr Mund zuckte, verzog sich. »Oder hast du dir vielleicht jemandes Behauptungen und Klagen angehört?«
»Hmm ...« Rittersporn räusperte sich, umging das riskante Thema. »Sag mir, Yennefer, wann hast du zum letzten Mal Geralt gesehen?«
»Das ist lange her.«
»Nach dem Krieg?«
»Nach dem Krieg ...« Yennefers Stimme veränderte sich geringfügig. »Nein, nach dem Krieg habe ich ihn nicht gesehen. Lange Zeit habe ich ... überhaupt niemanden gesehen. Aber zur Sache, Dichter. Ich bin ein wenig verwundert, dass du von nichts weißt und nichts gehört hast und trotzdem jemand ausgerechnet dich am Balken hochzieht, um Informationen zu bekommen. Beunruhigt dich das nicht?«
»Tut es.«
»Hör zu«, sagte sie und stellte den Becher geräuschvoll auf dem Tisch ab. »Hör aufmerksam zu. Streich diese Ballade aus deinem Repertoire. Sing sie nicht mehr.«
»Du meinst ...«
»Du weißt genau, was ich meine. Sing vom Krieg mit Nilfgaard. Sing von Geralt und von mir, damit schadest du uns weder noch nützt du uns, du machst nichts besser und nichts schlechter. Aber von dem Löwenjungen von Cintra sing nicht.«
Sie schaute sich um, vergewisserte sich, dass keiner von den um diese Zeit spärlichen Gästen lauschte, wartete, bis die Kellnerin die Tische abräumte, in die Küche ging.
»Versuche auch, Begegnungen unter vier Augen mit Leuten zu vermeiden, die du nicht kennst«, sagte sie leise. »Mit solchen, die vergessen, dich zuerst von gemeinsamen Bekannten zu grüßen. Du verstehst?«
Er blickte sie überrascht an. Yennefer lächelte. »Grüße von Dijkstra, Rittersporn.«
Jetzt war es an dem Barden, sich erschrocken umzuschauen. Seine Verwunderung musste sichtlich sein und seine Miene komisch, denn die Zauberin erlaubte sich ein ziemlich spöttisches Grinsen.
»Apropos«, flüsterte sie und beugte sich über den Tisch. »Dijkstra bittet um einen Bericht. Du kommst aus Verden, und Dijkstra wüsste gern, was am Hofe von König Ervyll geredet wird. Er hat mich gebeten, dir auszurichten, dass der Bericht diesmal sachlich, ausführlich und auf keinen Fall in Versen abgefasst sein soll. In Prosa, Rittersporn. In Prosa.«
Der Dichter schluckte schwer, nickte. Er schwieg und überlegte, ob er eine Frage stellen sollte. Doch die Zauberin kam ihm zuvor.
»Es kommen schwere Zeiten«, sagte sie leise. »Schwere und gefährliche. Eine Zeit der Veränderungen steht bevor. Es wäre schade, in der Überzeugung alt zu werden, dass man nichts unternommen hat, damit die bevorstehenden Veränderungen zum Besseren sind. Nicht wahr?«
Er nickte zustimmend, räusperte sich. »Yennefer?«
»Ich höre, Dichter.«
»Die dort im Stall – ich wüsste gern, wer das war, was sie wollten, wer sie geschickt hat. Du hast beide getötet, aber es gehen Gerüchte, dass ihr sogar aus Leichen Informationen herausholen könnt.«
»Und davon, dass Nekromantie durch ein Edikt des Kapitels verboten ist, sagen die Gerüchte nichts? Gib Ruhe, Rittersporn. Diese Henkersknechte wussten sowieso nicht viel. Der, der geflohen ist ... Hmm ... Das ist etwas anderes.«
»Rience. Das war ein Zauberer, nicht wahr?«
»Ja. Aber kein besonders erfahrener.«
»Trotzdem ist er dir entkommen. Ich habe gesehen, auf welche Weise. Er hat sich teleportiert, nicht wahr? Hat das etwas zu besagen?«
»Hat es. Dass jemand ihm geholfen hat. Dieser Rience hatte weder genug Zeit noch genug Kraft, um das ovale Portal zu öffnen, das in der Luft schwebte. So ein Teleport ist kein Pappenstiel. Es ist klar, dass jemand anders es geöffnet hat. Jemand
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