Das Erbe der Elfen
die beiden Hexer in die Arme, drückten einander fest, für einen einzigen kurzen Augenblick.
»Du lebst, Wolf.«
»Ich lebe.«
»Schön.« Eskel nahm eine Fackel aus der Halterung. »Geht. Ich mache die Außentür zu, sonst zieht die Wärme hinaus.«
Sie gingen einen Korridor entlang. Ratten gab es auch hier, sie huschten die Wände entlang, quiekten aus der Tiefe dunkler Seitengänge, stoben von dem unsteten Lichtkreis der Fackel fort. Ciri schritt rasch aus, versuchte, mit den Männern Schritt zu halten.
»Wer überwintert, Eskel? Außer Vesemir?«
»Lambert und Coën.«
Sie stiegen eine steile und rutschige Treppe hinab. Unten war ein Lichtschein zu sehen. Ciri hörte Stimmen, roch Rauch.
Der Saal war riesig, erhellt vom Feuer in einem gewaltigen Kamin, von dem die Flammen ratternd in den Rauchfang emporschlugen. In der Mitte stand ein riesiger schwerer Tisch. An diesem Tisch hätten mindestens zehn Menschen Platz nehmen können. Es saßen drei da. Drei Menschen. Drei Hexer, berichtigte sich Ciri in Gedanken. Sie sah nur die Silhouetten vor dem Hintergrund des lodernden Feuers.
»Sei gegrüßt, Wolf. Wir haben auf dich gewartet.«
»Sei gegrüßt, Vesemir. Und ihr, Jungs. Es ist gut, wieder daheim zu sein.«
»Wen hast du zu uns gebracht?«
Geralt schwieg einen Augenblick lang, dann legte er Ciri die Hände auf die Schultern, schob sie sacht nach vorn. Sie ging ungeschickt, unsicher, stolpernd und gebückt, mit hängendem Kopf. Ich fürchte mich, dachte sie. Ich fürchte mich sehr. Als Geralt mich gefunden und mitgenommen hat, dachte ich, die Angst würde nicht wiederkehren, das sei nun vorbei ... Und nun bin ich statt daheim in diesem schrecklichen, dunklen, verfallenen Schloss, das voller Ratten und unheimlicher Echos ist ... Ich stehe wieder vor einer roten Feuerwand. Sehe bedrohliche schwarze Gestalten, sehe, wie mich böse, unheimlich blitzende Augen anschauen ...
»Wer ist dieses Kind, Wolf? Wer ist dieses Mädchen?«
»Sie ist meine ...« Geralt stockte. Sie fühlte seine kräftigen Hände auf den Schultern. Und plötzlich war die Furcht weg. War spurlos verschwunden. Das rote, knatternde Feuer verströmte Wärme. Nur Wärme. Die schwarzen Silhouetten waren die Silhouetten von Freunden. Von Beschützern. In den blitzenden Augen stand Neugier. Sorge. Und Unruhe ...
Geralts Hände fassten ihre Schultern fester.
»Sie ist unsere Vorherbestimmung.«
Wahrlich, man findet nichts Abscheulicheres als jene Monster, wider jegliche Natur, so Hexer genannt werden, denn es sind die Früchte lästerlicher Zauberey und Teufeley. Es sind Schurken sonder Tugend, Gewissen und Skrupel, wahre Geschöpfe der Hölle, zu nichts als zum Tödten geschickt. Und ist für ihresgleichen kein Platz unter ehrlichen Menschen.
Jenes Kaer Morhen aber, da selbige Ehrlosen hausen, wo sie ihren gräßlichen Praktiken frönen, muss hinweggefegt werden vom Antlitz der Erde und seine Spur mit Salz und Salpeter bestreuet.
Anonymus,
Das Monstrum,
als da ist eine Beschreibung des Hexers
Intoleranz und Aberglaube waren immer den Dummen unter dem Pöbel zu eigen und werden, wie mich deucht, niemals vollends ausgerottet werden, denn sie sind ebenso ewig wie die Dummheit selbst. Wo heute Berge aufragen, werden dereinst Meere sein, wo heute Meere wogen, werden sich dereinst Wüsten ausbreiten. Aber die Dummheit bleibt die Dummheit.
Nicodemus de Boot,
Betrachtungen über das Leben,
das Glück und das Wohlergehen
Das zweite Kapitel
Triss Merigold hauchte auf die klammen Hände, bewegte die Finger und murmelte einen Zauberspruch. Ihr Pferd, ein falber Wallach, reagierte sofort auf den Spruch, schnaubte und drehte den Kopf zur Seite, sah die Zauberin mit einem von Kälte und Wind tränenden Auge an.
»Du hast zwei Möglichkeiten, Alter«, sagte Triss und zog die Handschuhe über. »Entweder du gewöhnst dich an Magie oder ich verkaufe dich einem Bauern für den Pflug.«
Der Wallach spitzte die Ohren, stieß Dampf aus den Nüstern und ging folgsam den bewaldeten Hang hinab. Die Zauberin bückte sich im Sattel, um den reifbedeckten Ästen auszuweichen.
Der Spruch wirkte rasch, sie spürte an den Handgelenken und am Hals die Kälte nicht mehr, vor der sie sich zusammengekrümmt und den Kopf eingezogen hatte. Der Zauber, der sie wärmte, milderte auch den Hunger, der schon seit ein paar Stunden an ihrem Magen nagte. Triss’ Stimmung hellte sich auf, sie setzte sich bequemer im Sattel hin und
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