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Das Erbe der Elfen

Das Erbe der Elfen

Titel: Das Erbe der Elfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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verschob unmerklich die Hand, und ihre Hände trafen sich. Ihre Blicke auch.
    »Ich komme mit«, sagte sie lässig. »Ich habe in den Satteltaschen ein paar Kleinigkeiten, die ich brauchen werde.«
    »Du hast mir vor nicht gar so langer Zeit ein paar unangenehme Eindrücke verschafft«, murmelte er, sobald sie im Stall waren. »Ich habe mit eigenen Augen dein imposantes Grabmal gesehen. Den Obelisken, der deinen Heldentod in der Schlacht von Sodden verewigt. Erst vor kurzem hat mich die Nachricht erreicht, dass das ein Irrtum war. Ich verstehe nicht, wie man dich mit jemandem verwechseln konnte, Triss.«
    »Das ist eine lange Geschichte«, antwortete sie. »Ich erzähle sie dir bei passender Gelegenheit. Und den unangenehmen Eindruck bitte ich zu entschuldigen.«
    »Da gibt es nichts zu entschuldigen. Ich hatte in letzter Zeit wenig Grund zur Freude, und meine Freude, als ich erfuhr, dass du lebst, ist kaum mit irgendeiner anderen zu vergleichen. Höchstens mit der, die ich momentan empfinde, wenn ich dich anschaue.«
    Triss spürte, wie etwas in ihr aufbrach. Die Furcht vor der Begegnung mit dem weißhaarigen Hexer hatte den ganzen Weg über in ihr mit der Hoffnung auf diese Begegnung gekämpft. Und dann der Anblick dieses müden, erschöpften Gesichts, diese allwissenden, kranken Augen, die Worte, kalt und gemessen, unnatürlich ruhig und dabei doch so voller Gefühl  ...
    Sie warf sich ihm an den Hals, sofort, ohne zu zögern. Sie packte seine Hand, legte sie sich in den Nacken, unter die Haare. Ein Kribbeln lief ihr über den Rücken, durchdrang sie mit solcher Wonne, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. Um den Schrei zurückzuhalten und zu ersticken, fand sie mit ihren Lippen seine, heftete sich daran. Sie zitterte, drängte sich heftig an ihn, baute in sich eine Erregung auf, dass sie sich immer mehr vergaß.
    Geralt vergaß sich nicht.
    »Triss  ... Ich bitte dich.«
    »Oh, Geralt  ... So sehr  ...«
    »Triss.« Er schob sie sacht von sich. »Wir sind nicht allein  ... Es kommt jemand.«
    Sie blickte zum Eingang. Die Schatten der sich nähernden Hexer bemerkte sie erst nach einer Weile, ihre Schritte hörte sie noch später. Nun ja, ihr Gehör, das sie alles in allem für fein hielt, konnte sich mit dem eines Hexers nicht messen.
    »Triss, Kindchen!«
    »Vesemir!«
    Ja, Vesemir war wirklich alt. Womöglich älter als Kaer Morhen. Doch er kam mit raschen, energischen und federnden Schritten auf sie zu, seine Umarmung war kräftig, die Hände waren stark.
    »Ich freue mich, dich wiederzusehen, Großvater.«
    »Gib mir einen Kuss. Nein, nicht auf die Hand, kleine Zauberin. Die Hand wirst du mir küssen, wenn ich auf der Bahre ruhe. Was sicherlich bald geschehen wird. Ach, Triss, gut, dass du gekommen bist  ... Wer soll mich kurieren, wenn nicht du?«
    »Kurieren, dich? Wovon? Höchstens von jungenhaften Gesten! Nimm die Hand von meinem Hintern, Alter, sonst zünde ich dir den grauen Bart an!«
    »Entschuldige. Ich vergesse immer wieder, dass du groß geworden bist, dass ich dich nicht mehr auf die Knie nehmen und tätscheln kann. Und was meine Gesundheit angeht ... Ach, Triss, alt zu sein ist kein Vergnügen. In den Knochen habe ich ein Reißen, dass ich heulen könnte. Hilfst du dem alten Mann, Kindchen?«
    »Tu ich.« Die Zauberin löste sich aus der bärenhaften Umarmung, betrachtete den Hexer, der mit Vesemir gekommen war. Er war jung, sah wie ein Altersgefährte von Lambert aus. Er trug einen kurzen schwarzen Bart, der jedoch nicht die zahlreichen Pockennarben verbarg. Das war ziemlich ungewöhnlich, denn die Hexer verfügten normalerweise über eine hohe Immunität gegen Infektionskrankheiten.
    »Triss Merigold, Coën«, stellte Geralt sie einander vor. »Coën verbringt den ersten Winter bei uns. Er stammt aus dem Norden, aus Poviss.«
    Der junge Hexer verneigte sich. Er hatte ungewöhnlich helle, gelbgrüne Augen, und die von roten Fädchen durchsetzten Augäpfel zeugten von einem schweren, komplizierten Verlauf der Augenmutation.
    »Gehen wir, Kindchen«, sagte Vesemir und nahm sie beim Arm. »Der Stall ist kein Ort, um Gäste zu begrüßen. Aber ich konnte nicht auf dich warten.«
    Auf dem Hof, in einem windgeschützten Mauerwinkel, übte Ciri unter der Anleitung Lamberts. Sie balancierte geschickt auf einem an Ketten aufgehängten Balken und griff dabei mit dem Schwert eine Lederrolle an, um die solcherart Riemen geschlungen waren, dass sie einen Menschenkörper darstellte. Triss blieb

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