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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Aufmerksam schaue ich zu ihm hoch, als ich mich aus dem Knicks erhebe, und da merke ich, dass er ganz furchtbar feierlich blickt, also setze auch ich eine ernste Miene auf. Ich schlage sogar die Augen nieder und bin ein Musterbeispiel reuiger Züchtigkeit. Wegen des langen Eingesperrtseins bin ich auch ziemlich blass, und deshalb sehe ich in meiner Pose wahrscheinlich wie eine Heilige aus.
    »Euer Gnaden«, sage ich mit sanfter, trauriger Stimme.
    »Ich bringe Euch Nachricht von Eurem Urteil«, sagt er.
    Ich warte.
    »Das Parlament des Königs hat sich beraten und einen strafrechtlichen Beschluss gegen Euch erlassen.«
    Wenn ich wüsste, was das ist, dann wüsste ich, was ich darauf zu antworten hätte. Da dem nicht so ist, halte ich es für das Beste, meine Augen weit aufzureißen und verständnisvoll zu schauen. Ich nehme an, ein strafrechtlicher Beschluss ist eine Art Begnadigung.
    »Der König hat seine Einwilligung gegeben.«
    Ja, sicher, aber wofür? Was bedeutet es für mich?
    »Ihr werdet in den Tower verbracht und dort so bald wie möglich auf dem inneren Rasenplatz exekutiert. Eure Ländereien und sonstigen Güter fallen der Krone zu.«
    Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon er redet. Außerdem habe ich dank seiner armseligen Bewahrung meines königlichen Besitzes keine Ländereien oder Güter mehr, über die zu reden sich lohnte. Ich habe nicht vergessen, wie Thomas Seymour mir meinen eigenen Schmuck wegnahm, als gehörte dieser immer noch seiner Schwester.
    Er schaut ein bisschen überrascht, weil ich schweige. »Versteht Ihr mich?«
    Ich sage nichts, sondern schaue weiter wie eine Heilige.
    »Katherine! Verstehst du das?«
    »Ich weiß nicht, was ›strafrechtlich‹ bedeutet«, gestehe ich. »Es klingt wie Strafe, aber auch wie etwas, was recht ist.«
    Er schaut mich an, als habe er es mit einer Schwachsinnigen zu tun. »Strafrecht«, wiederholt er. »Das bedeutet eine Verurteilung.«
    Ich zucke die Achseln. Ich begreife immer noch nicht. Bedeutet es, dass ich an den Hof zurückkann?
    »Es bedeutet, dass das Parlament Euch zum Tode verurteilt hat und dass der König seine Einwilligung dazu gegeben hat«, sagt er ruhig. »Es ist eine Verurteilung ohne vorherige Gerichtsverhandlung. Ihr sollt sterben, Katherine. Ihr sollt auf dem Rasenplatz des Towers enthauptet werden.«
    »Sterben?«
    »Ja.«
    »Ich?«
    »Ja.«
    Ich sehe ihn an. Er muss einen Plan im Sinn haben. »Was soll ich tun?«, frage ich flüsternd.
    »Ihr sollt Eure Sünden gestehen und um Vergebung bitten«, lautet die prompte Erwiderung.
    Ich bin so erleichtert, dass ich fast in Tränen ausbreche. Natürlich wird mir vergeben werden, wenn ich sage, dass es mir leidtut. »Was soll ich gestehen?«, will ich wissen. »Sagt mir doch genau, was ich sagen muss.«
    Er zieht ein gerolltes Papier aus seiner Jackentasche. Er hat also einen Plan. Gott sei Dank, er hat doch immer einen Plan! Ich ziehe die Rolle auf und überfliege den Text, der furchtbar lang ist. Aber mein Onkel nickt, also muss ich wohl alles vorlesen. Ich fange an.
    Im ersten Absatz gestehe ich mein sehr schlimmes Verbrechen gegen den König, gegen den höchsten Gott und das ganze englische Volk, was ich reichlich übertrieben finde, denn alles, was ich getan habe, tun jeden Tag hundert andere junge Frauen auch, besonders, wenn sie mit einem widerwärtigen alten Mann verheiratet sind - und in meinem Falle bin ich dazu noch sehr schlecht behandelt worden. Aber ich lese alles laut vor, und der Herzog nickt, und die Ratsmitglieder nicken ebenfalls, also mache ich es offensichtlich richtig, und jeder ist mit mir zufrieden, was ja das Wichtigste ist. Dann lese ich, dass ich Seine Majestät anflehe, meine Missetaten nicht meinen Verwandten und meiner Familie anzurechnen, sondern ihnen seine unendliche Gnade und Güte zu gewähren, damit sie nicht für meine Fehler büßen müssen.
    Ich werfe meinem Onkel einen bösen Blick zu, denn es ist sonnenklar, wer da sichergehen will, dass er nicht wegen einer von mir begangenen Missetat leiden muss. Doch seine Miene ist vollkommen ausdruckslos. Dann bitte ich den König, nach meinem Tode meine Kleider den Ehrenjungfern schenken zu dürfen, da ich sonst nichts zu geben habe. Das ist so traurig, dass ich es kaum fertigbringe, es laut vorzulesen. Man stelle sich das vor! Ich, die ich einst so viel besaß, habe nun nichts mehr zu verschenken! Man stelle sich vor, ich gäbe meine Kleider fort, weil ich sie nie mehr tragen würde! Und wie lächerlich zu

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