Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
nur weil sie in Bezug auf die Eucharistie mit dem König uneins waren. Unschuldig zu sein, ist in diesem Lande nicht mehr genug.
Dennoch senke ich den Kopf nicht, denn angesichts der Herausforderung durch eine überlegene Macht - sei es mein Bruder in seiner Grausamkeit oder der König von England in seinem eitlen Wahn - ist es stets besser, den Kopf hoch zu tragen und all seinen Mut zusammenzunehmen und für das Schlimmste gewappnet zu sein. Dr. Harst hingegen ist der Schweiß ausgebrochen, auf seiner Stirn stehen Schweißperlen, und wieder und wieder macht er Gebrauch von seinem schmutzigen Taschentuch.
»Es hat eine Anschuldigung gegeben«, beginnt Wriothsley großspurig.
Ich erwidere kühl seinen Blick. Ich habe ihn nie gemocht, noch er mich, aber leider Gottes dient er Heinrich. Was immer Heinrich will, wird dieser Mann ihm unter der Fassade der Rechtmäßigkeit zu liefern wissen. Wir werden ja sehen, was Heinrich nun will.
»Dem König ist zu Ohren gekommen, dass Ihr ein Kind geboren habt«, sagt er. »Wir haben erfahren, dass Ihr diesen Sommer einen Knaben geboren habt, der von Euren Verbündeten versteckt wurde.«
Dr. Harst fällt die Kinnlade herunter. »Was soll denn das?!«, fragt er.
Ich bleibe gelassen. »Das ist eine Lüge«, erkläre ich. »Ich habe mit keinem Manne gelegen, seit ich von Seiner Gnaden, dem König, getrennt lebe. Und wie Ihr selbst damals bewiesen habt: Auch von ihm habe ich keine fleischliche Kenntnis. Der König selbst schwor damals, dass ich Jungfrau sei, und das bin ich immer noch. Ihr könnt meine Zofen fragen, dass ich ganz gewiss kein Kind zur Welt gebracht habe.«
»Wir haben Eure Zofen befragt«, lautet seine Erwiderung. Er genießt es. »Wir haben jede Einzelne von ihnen verhört und sehr unterschiedliche Aussagen bekommen. Ihr beherbergt in Eurem Haushalt einige Feinde.«
»Es tut mir leid, das zu hören«, sage ich. »Und ich trage die Schuld daran, sie nicht besser im Zaum zu halten. Zofen lügen zuweilen. Aber das ist allein meine Schuld.«
»Sie haben uns Schlimmeres erzählt als dies«, fährt Wriothsley fort.
Dr. Harst ist krebsrot angelaufen, er schnappt nach Luft. Er fragt sich, so wie ich mich frage, was schlimmer sein könnte als eine geheim gehaltene Geburt? Wenn dies die Vorbereitungen für einen Schauprozess und eine Anklage wegen Hochverrats sein sollen, dann haben sie sorgfältige Arbeit geleistet. Ich bezweifele, dass ich mich gegen vereidigte Zeugen und irgendein neu geborenes, zum Beweis vorgelegtes Baby verteidigen könnte.
»Was könnte denn schlimmer sein?«, frage ich.
»Sie sagen, dass es gar kein Kind gab, sondern dass Ihr nur vorgabt, einen Sohn zu gebären, von dem Ihr gegenüber Euren Verbündeten behauptetet, er sei des Königs Sohn und Erbe des englischen Throns. Dass Ihr gemeinsam mit häretischen Papisten plantet, diesen Jungen auf den Thron zu setzen und die Tudors zu stürzen. Was habt Ihr dazu zu sagen, Madam?«
Mein Hals ist wie ausgedörrt. Ich suche verzweifelt nach Worten, nach einer überzeugenden Erwiderung, aber ich finde keine. Wenn sie wollen, dann können sie mich auf der Stelle verhaften. Es reicht ein einziger Zeuge, der aussagt, ich hätte vorgegeben, einem Kind das Leben zu schenken, das ich als des Königs Kind ausgab: Dann ist bewiesen, dass ich Hochverrat begangen habe. Dann werde ich zu Katherine nach Syon gebracht, und wir werden gemeinsam sterben, zwei entehrte Königinnen auf einem Richtblock.
»Und ich sage, es ist nicht wahr«, entgegne ich. »Wer immer Euch dies erzählt hat, ist ein Lügner und ein falscher Zeuge. Ich weiß von keiner Verschwörung gegen den König, und ich würde kein Komplott gegen ihn unterstützen. Ich bin seine Schwester und seine treue Untertanin, wie er mir befahl.«
»Ihr leugnet, dass Ihr Pferde bereithaltet, die Euch nach Frankreich bringen sollen?«, wechselt er plötzlich die Richtung.
»Das leugne ich«, sage ich. Sobald diese Worte meinen Mund verlassen haben, weiß ich, dass ich einen Fehler gemacht habe: Natürlich wissen sie längst, dass wir Pferde bereithalten.
Sir Thomas Wriothsley lächelt, er weiß, dass er mich nun in der Schlinge hat. »Ihr leugnet dies?«, wiederholt er.
»Die Pferde stehen für mich bereit«, schaltet sich Dr. Harst mit zitternder Stimme ein. »Ich habe Schulden, wie Ihr vermutlich wisst. Ich schäme mich, gestehen zu müssen, dass ich viele Schulden habe. Ich dachte, wenn meine Gläubiger mich zu sehr bedrängten, dann könnte ich auf diese
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