Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
glauben, ich scherte mich auch nur einen Deut um diese sechs abscheulichen Kleider, diese sechs Paar Ärmel, sechs Röcke und sechs französischen Hauben, schmuckloses Zeug und in den armseligsten Farben, die man sich vorstellen kann. Von mir aus können sie den ganzen Plunder verbrennen!
Doch trotz meines Verdrusses über die sechs hässlichen Kleider und die Tatsache, dass mein Onkel seine eigene Haut retten will, bin ich nach dem Vorlesen der Schriftrolle so traurig, dass ich weinen muss. Alle Ratsmitglieder schauen tief bewegt, und es ist eine rührende Szene, von der sie dem König berichten können, und ich zweifle nicht, dass ihn die Vorstellung rühren wird, wie ich um Vergebung für andere bitte und meine kleine Garderobe verschenken muss. Ja, es ist so traurig, dass ich weinen muss, und ich weiß wohl, dass es alles nicht echt ist, so wenig wie die Verkleidungen des Königs. Wenn ich glaubte, dass es echt wäre, würde ich zusammenbrechen.
Mein Onkel nickt. Ich habe getan, was er wünschte, und nun obliegt es ihm, den König davon zu überzeugen, dass ich voller Reue bin und bereit für meinen Tod. Mehr kann man nicht tun, würde ich sagen. Sie trampeln auf dem Weg hinaus, den sie gekommen sind, und ich muss mich ruhig auf meinen einzigen Stuhl setzen und in meinem hässlichen Kleid darauf warten, dass sie zurückkommen und mir sagen, dass mir vergeben wurde, weil ich so viel Reue gezeigt habe.
Nun warte ich auf die Barke. Ich bin schon in der grauen Morgendämmerung wach und spähe aus dem Fenster. Weil ich normalerweise keinen Grund habe, aufzustehen, und weil ich nichts zu tun habe, versuche ich eigentlich bis zum Abendessen durchzuschlafen, heute jedoch bin ich sicher, dass sie mit der königlichen Begnadigung zurückkommen werden, und will daher besonders hübsch aussehen. Sobald es hell genug ist, läute ich meiner Zofe und lasse meine Kleider ausbreiten. Hmm, was für eine Auswahl! Ich habe ein schwarzes Kleid, ein dunkelblaues Kleid, das fast schwarz ist, ein dunkelgrünes Kleid, das fast schwarz ist, ein braunes Kleid, ein graues Kleid und noch ein schwarzes Kleid, falls ich an dem ersten schwarzen noch nicht genug habe. Was also soll ich anziehen? Ich wähle das schwarze Kleid, aber mit dunkelgrünen Ärmeln und einer dunkelgrünen Haube. Das drückt meine Reue aus und zugleich meine Liebe zum Tudor-Grün, wenn sie denn einen Sinn für diese Dinge haben. Außerdem heben Ärmel und Haube das Grün meiner Augen hervor, und das ist auch immer gut.
Ich weiß nicht genau, wie es sich abspielen wird, und eigentlich möchte ich wie immer gut vorbereitet sein. Mein Zeremonienmeister bei Hofe sagte mir stets, wo ich zu stehen hätte und wie ich aussehen müsse, und mir gefiel, es zu üben. Das kommt davon, wenn man so blutjung Königin wird und nicht wirklich dazu erzogen wurde. Aber soweit ich weiß, ist noch nie einer Königin für Ehebruch und Hochverrat vergeben worden, diese Zeremonie ist also für uns alle neu. Auf jeden Fall wird dieser alte Wolf, mein Onkel, mich sicher durch alle Fährnisse steuern.
Schon um neun Uhr bin ich fertig angekleidet und warte, aber niemand kommt. Ich gehe zur Messe und frühstücke in mürrischem Schweigen, und immer noch tut sich nichts. Doch dann, kurz vor Mittag, vernehme ich endlich Schritte auf dem gepflasterten Weg und flitze zum Fenster. Dort wippt der eckige, schwarze Hut meines Onkels, die Räte tragen ihre Amtsstäbe und folgen dem königlichen Standartenträger. Ich eile zurück zu meinem Stuhl und setze mich, die Füße eng beieinander, die Hände sittsam im Schoß und die Augen reumütig niedergeschlagen.
Dann werden die Flügel der Tür aufgestoßen, und die prächtig gekleideten Lords treten ein. Ich erhebe mich und knickse vor meinem Onkel, wie es sich gehört, denn er ist nun das Oberhaupt unseres Hauses und mir keine Verneigung mehr schuldig. Ich stehe da und warte. Ich bin erstaunt, dass er nicht erleichtert aussieht, da doch nun alles wieder zum Guten gewendet ist.
»Wir sind gekommen, um Euch in den Tower zu bringen«, verkündet er.
Ich nicke. Ich hatte geglaubt, es werde nach Kenninghall gehen, aber das hier ist vielleicht besser; der König nutzt den Tower oft als Stadtschloss in London, möglicherweise soll ich ihn dort wiedersehen. »Wie Ihr wünscht, Mylord«, sage ich liebenswürdig.
Er schaut ein bisschen überrascht ob meines sittsamen Tons. Ich muss mich sehr beherrschen, um nicht zu kichern.
»Katherine, Ihr sollt exekutiert
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