Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
werden«, sagt er. »Ihr werdet als verurteilte Verräterin in den Tower gebracht.«
»Verräterin?«, wiederhole ich verständnislos.
»Ich habe es Euch doch letztes Mal erklärt«, sagt er ungeduldig. »Ihr seid durch einen strafrechtlichen Beschluss des Parlamentes verurteilt worden. Ich habe es Euch gesagt. Ihr müsst nicht vor Gericht, das hattet Ihr verstanden. Ihr habt Eure Sünden gestanden. Dieses Geständnis ist in das Urteil gegen Euch eingeflossen. Nun ist die Zeit für seine Vollstreckung gekommen.«
»Ich habe gestanden, damit mir vergeben würde«, stelle ich klar.
Er sieht mich verärgert an. »Aber Euch wurde nicht vergeben«, sagt er. »Alles, was noch zu tun blieb, war die Einwilligung in das Urteil.«
»Und?«, frage ich, ein wenig keck.
Er holt tief Luft, als müsse er seinen Ärger zerstreuen. »Seine Gnaden hat eingewilligt, dass Ihr dem Tode überantwortet werdet.«
»Wird er mir vergeben, wenn ich zum Tower komme?«, frage ich.
Zu meiner wachsenden Bestürzung schüttelt er den Kopf. »Um Himmels willen, Mädchen, sei nicht so närrisch! Darauf kannst du doch nicht mehr hoffen! Es gibt keinen Grund, darauf zu hoffen. Als er von Eurer Schandtat erfuhr, zog er sein Schwert und sagte, er selbst würde Euch töten. Es ist vorbei, Katherine. Bereitet Euch auf den Tod vor.«
»Das kann nicht sein«, entgegne ich. »Ich bin erst fünfzehn. Niemand kann mich hinrichten lassen mit fünfzehn Jahren.«
»Doch, das können sie«, sagt er düster. »Und sie werden es, glaubt mir.«
»Der König wird sie daran hindern.«
»Es ist sein eigener Wunsch.«
»Ihr werdet sie daran hindern!«
Seine Augen sind so kalt wie die eines Fisches auf einer Marmorplatte. »Das werde ich nicht tun.«
»Aber irgendjemand muss sie doch daran hindern!«
Er wendet den Kopf. »Ergreift sie.«
Ein halbes Dutzend Männer marschiert in das Zimmer, es sind Mitglieder der königlichen Garde, die einst so hübsch für mich paradierten.
»Ich gehe nicht!«, sage ich. Nun habe ich wirklich Angst. Ich richte mich zu meiner vollen Höhe auf und funkele sie wütend an. »Ich gehe nicht. Ihr könnt mich nicht zwingen!«
Sie zögern ein wenig und schauen meinen Onkel fragend an. Er macht eine entschiedene Handbewegung. »Ergreift sie.«
Ich drehe mich um und laufe in mein Schlafzimmer, werfe die Tür hinter mir zu, doch das hält sie nur einen Moment auf, sie sind so schnell. Ich klammere mich an einen Bettpfosten. »Ich gehe nicht in den Tower!«, schreie ich. »Ihr könnt mich nicht zwingen. Ihr dürft mich nicht anrühren! Ich bin die Königin von England! Niemand darf mich anrühren!«
Einer der Männer umschlingt meine Taille. Der andere löst meine Hände vom Bettpfosten, und sobald er sie wieder loslässt, versetze ich dem ersten einen Hieb ins Gesicht, so fest ich nur kann, und er lässt los, aber ein dritter Mann packt mich nun, und der zweite hält meine Hände, und obwohl ich mich wehre, zwingt er sie auf meinen Rücken, und ich höre einen Ärmel reißen. »Lasst mich los!«, schreie ich. »Ihr dürft mich nicht festhalten. Ich bin Katherine, Königin von England. Ihr dürft mich nicht anrühren, meine Person ist heilig! Lasst mich los!«
Mein Onkel steht in der Tür, sein Gesicht finster wie das des Teufels. Er nickt einem Mann zu, der neben mir steht, und dieser bückt sich und nimmt meine Füße. Ich versuche, nach ihm zu treten, aber er bändigt mich wie ein kleines, bockendes Fohlen, und die drei halten mich fest und schlurfen langsam aus dem Zimmer. Meine Damen sind in Tränen aufgelöst, und der Aufseher meines Haushalts ist vor Entsetzen bleich.
»Lasst nicht zu, dass sie mich mitnehmen!«, schreie ich. Stumm schüttelt er den Kopf. Ich sehe, wie er sich an der Tür festhält. »Helft mir!«, schreie ich. »Schickt nach ...« Und da breche ich ab, denn es gibt niemanden, nach dem man schicken könnte. Mein Onkel, mein Vormund und Mentor, steht tatenlos dabei; diese Verhaftung wird auf seinen Befehl hin ausgeführt. Meine Großmutter und meine Schwestern und meine Stiefmutter sitzen alle im Gefängnis, und der Rest der Familie bemüht sich verzweifelt, zu beweisen, dass sie mich kaum kennen. Es gibt niemanden, der mich verteidigen wird, niemand hat mich je geliebt außer Francis Dereham und Tom Culpepper, und sie sind tot.
»Ich kann nicht in den Tower gehen!« Jetzt schluchze ich, während ich im Rhythmus ihrer Schritte wie ein Sack zwischen den Männern hin und her geschleudert werde. »Bringt
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