Das Erbe Der Loge: Roman
falsch mache.«
»Ein bisschen spät, finden Sie nicht?«, lächelte er, als habe er verstanden.
»Wir beiden haben unsere Berufe frei gewählt. Die geben nun mal keine Villen her. Also, was soll's?« Er hakte sich bei mir unter, als seien wir beste Freunde, die sich gegenseitig auf dem Heimweg von einer Zechtour stützten. »Was ist mit diesem Kasten los - und vor allem, was war da drin?« Sein Griff um meinen Oberarm wurde stärker.
»Was heißt... war?«
»Was ich sage.«
Er ließ mich wieder los und trottete neben mir her. »Es geht mich von der Mordkommission zwar nichts an. Aber der Kasten ist am Samstag vom Props als gestohlen gemeldet worden.«
»Hoppla!«, entfuhr es mir.
Wenn ich ehrlich zu mir gewesen wäre, dann hätte ich schon am Freitag darauf geschworen, dass der Inhalt das Wochenende nicht überleben würde.
Ist es Intuition oder Erfahrung, die einem Menschen nach vielen Jahren der gleichen Tätigkeit hellseherische Fähigkeiten verleiht?
Nur hatte ich den unverzeihlichen Fehler begangen, mich von Martin davon abschrecken zu lassen wenigstens noch ein paar Fotos des Inhalts zu machen.
»Machen wir ein Geschäft...?«, weckte mich Kögel aus meinen Betrachtungen.
»Welches?«
»Sie sagen mir, was in dem Kasten war, und ich Ihnen, was ich von dem Unfall des Doktors halte.«
Dieser alte Fuchs spielte, wie er es immer tat, wenn er etwas haben wollte, das ihm sonst schwer zugänglich war. Er war gedanklich auf gleicher Höhe mit mir und hatte sofort bedacht, dass ich durch den einfachen Unfalltod meines Hauptdarstellers für eine zukünftige Headline über die Machenschaften im Landtag in der Redaktion schlechte Karten haben würde. Mein Zugpferd war einfach unter den Wagen gekommen. Das war zu wenig, um noch einen Chefredakteur zu begeistern.
»Woher soll ich wissen, was da drin war?«
Kögel legte den Kopf in den Nacken und deutete auf ein paar Vögel.
»Sehen Sie: Der Herbst kommt früh dieses Jahr. Die Mauersegler sammeln sich bereits und nehmen das Wissen des Sommers mit in den Süden.«
Ich verstand.
Martin hatte den Kasten pflichtgemäß bei der Verwaltung abgegeben. Am Freitagabend war natürlich niemand mehr da gewesen, also hatte er ihn irgendwo deponiert. Ob er nun selbst den Inhalt untersucht hatte oder nicht, war unerheblich. Auf jeden Fall hatte er mich als Einzigen benannt, der hineingesehen hatte.
»Ich sage nur, was ich gesehen habe, wenn Sie mir einen zusätzlichen Gefallen außer Ihrer Meinung zu dem Unfalltod von Dr. Seid tun«, versuchte ich mir mehr Spielraum zu verschaffen.
Kögel setzte die Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel. »Na schön. Ich kann immer noch Nein sagen.«
»Beschaffen Sie mir Informationen, wann das letzte Mal der Nordturm an dieser Stelle eingerüstet war und wer damals die Steinmetze waren.«
Einen Moment hielt er im Schritt inne und schaute dem abziehenden Vogelschwarm nach.
»Sie brauchen jetzt wohl ganz dringend einen Aufreißer?«, murmelte er und hakte sich wieder bei mir unter. »Na schön. Den sollen Sie haben. Ich beschaffe die Informationen, wenn Sie mir jetzt endlich sagen, was Sie in dem Kasten gesehen haben.«
»Zweiunddreißig Soldbücher. Alle datiert Januar 1934. Ein paar Pfund Rohdiamanten, ein in schwarzes Leder gebundenes Buch mit einer goldenen Dreiecksprägung und einen Satz Karten wie die heute bei dem Toten gefundene.«
Kögel pfiff durch die Zähne und schob die Brille über seine Stirnfalten.
»Januar '34? Sind Sie sich da ganz sicher?«
Er umspannte jetzt mit beiden Händen meinen Oberarm wie jemand, der seinen letzten Halt vor dem Absturz von einer Klippe suchte.
»Ganz sicher.«
Langsam gingen wir zum Unfallort zurück.
Erst jetzt fiel mir auf, dass es nicht den sonst üblichen Auflauf von Gaffern gegeben hatte. Niemand der Nachbarn schien sich für den geballten Einsatz von Blaulichtern zu interessieren.
Eine merkwürdige Gegend.
Der Kommissar hatte seit meiner Bestätigung, dass ich mir sicher sei, kein Wort mehr gesprochen. Nachdenklich spielte er mit seinem Schlüsselbund und ließ dabei ein silbernes Kegelholz an einer Kette um den Zeigefinger rotieren.
Hin und zurück. Hin und zurück.
»Kommen Sie mal mit«, winkte er mir zu folgen und betrat die Villa.
Es waren nicht die ersten Privaträume eines Toten, die ich betrat. Aber es war das erste Mal, dass ich in die Intimsphäre eines Kontrahenten eindrang.
Die kleine Eingangshalle wirkte kühl, distanziert, aber teuer. Weißer Marmor
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