Das Erbe der Pandora
eine Macht bekäme sie nicht, wenn Pandora von der Sawyer
Company geschluckt würde.« Iris lehnte sich zur Seite und sah zur Tür hinaus,
um einen Blick auf Evans Büro zu werfen. »Apropos Sawyer, was macht unser Top
Gun?«
»Arbeitet in seinem neuen, eigenen
Büro still und leise vor sich hin. Iris, Sie sollten wissen, daß Sie hier Ihr
Gesicht verloren haben, indem Sie Evan wieder eingestellt und ihm Sonderrechte
eingeräumt haben.«
»Danke für Ihre Offenheit, Louise,
aber das hatte ich mir schon gedacht.« Iris nahm einen Schluck Kaffee, stand
auf und fummelte in ihrer Jackentasche herum. »Ich wünsche ihm lieber mal einen
fröhlichen guten Morgen.«
Evan telefonierte gerade, wobei er zum
Fenster hinausschaute und mit dem Rücken zur Tür saß. Als sie gegen den
Türrahmen klopfte, drehte er sich um und schien angenehm überrascht zu sein,
sie zu sehen. Er winkte sie fürstlich herein.
Sie schloß die Tür hinter sich und
drehte kurz an der Stange der Jalousien vor dem Fenster, das zum Großraumbüro
hinaus lag, um sie zu schließen. Sie setzte sich steif auf den Stuhl gegenüber
von seinem Schreibtisch.
Eine brennende Zigarette lag in einem
Aschenbecher vor Evan. Im Haus herrschte Rauchverbot. Sie nahm an, daß niemand
den Mut aufgebracht hatte, Evan darauf anzusprechen.
»Klingt gut«, sagte er in den Hörer.
Er nahm einen Zug an der Zigarette und blinzelte ihr verwegen zu.
Das kannst du dir schenken, du
Arschloch, dachte
sie. Das kommt bei mir nicht an.
Als er die Zigarette wieder in den
Aschenbecher legte, bemerkte Iris, daß seine Fingerknöchel von blauen Flecken
übersät waren.
»Iris!« rief er freudig aus, als er
auflegte. »Wie komme ich zu der Ehre?« Er hatte eindeutig das Gefühl, daß sie
für ihn arbeitete und nicht umgekehrt.
»Ich habe eine Menge über Sie
nachgedacht, Evan«, gestand sie.
»Ach ja?« Er nahm noch einen Zug an
der Zigarette und ließ den Rauch allmählich durch seine sinnlich geöffneten
Lippen entweichen.
Sie sah sich um. »Scheint, als hätten
Sie jetzt alles, was Sie wollten. Büro mit Fenster, Ansprüche, Gehalt... wie
ein richtiger Bürger.«
Grinsend drückte er die Zigarette aus.
»Es fing alles hier an.«
»Als nächstes zahlen Sie Steuern,
wählen, führen Ihren Hund Gassi...«, fuhr sie sarkastisch fort.
»Ja, genau.«
»Daß ich nicht lache! Sie waren und
werden nie mehr sein als ein Wahnsinniger«, sie machte eine kurze Pause, »mit
einem guten Geschmack für Klamotten.«
Es war nicht schwer zu erkennen, daß
ihm ihr Kommentar nicht gefiel. Sein Blick wurde so kalt wie an dem Tag, als er
sie in ihrem Büro angegriffen hatte. »Wahnsinniger?« Er hob die Augenbrauen.
»Das müssen Sie gerade sagen. Ich habe Sie beobachtet. Ich weiß, wie Sie leben.
Sie sind die verdammte Wahnsinnige.«
Iris wußte, daß sie tief in der
Patsche steckte, aber sie hatte ganz und gar nicht die Absicht, jetzt
aufzuhören. Es bereitete ihr ein sadistisches Vergnügen, ihn in die Enge zu
treiben, nachdem sie in letzter Zeit zu oft selbst in der Situation gesteckt
hatte. Sie betrachtete lässig ihre Fingernägel. »Erzählen Sie mal, Evan. Diese
Prostituierte in Vegas, diese Rita Free... Haben Sie sie einfach so über den Balkon
geschubst, oder hat sie sich gewehrt?«
Er starrte sie finster an. »Sie haben
eine ganz schön große Klappe, wissen Sie das?«
»Wie hörte sich das an, als sie
aufschlug?«
»Erzählen Sie es mir doch. Scheint ja,
als wüßten Sie alles.«
Sie gestattete sich eine improvisierte
Maniküre, während sie redete. »Hat es Sie erregt?«
»Sie wollen es nicht anders, Iris.«
Sie spielte Enttäuschung. »Ach, kommen
Sie, Evan! Ich hab’ vorher noch nie mit einem richtigen Mörder gesprochen.
Zumindest mit niemandem, von dem ich mit Sicherheit wußte...«
»Ich werde Sie fertigmachen, Iris. Das
wissen Sie.«
»Hat Rita Free so mit Ihnen geredet,
bevor Sie sie umgebracht haben? Und Bridget? Sie haben der armen Bridget
wahrscheinlich nicht einmal mehr die Gelegenheit zum Reden gegeben.«
Er sprang aus seinem Sessel auf und
ging um den Tisch herum. Sie stolperte fast, als sie aufstand, den Stuhl umwarf
und sich gegen die Wand drückte. Er hatte sie fast erreicht, als er stehenblieb
und langsam einige Schritte zurückwich.
Die 22er, die sie in der Hand hielt,
war genau auf sein Herz gerichtet. »Stecken Sie Ihre Sachen in die Aktentasche,
und sehen Sie zu, daß Sie hier verschwinden.«
»Sie würden niemals auf mich
schießen.«
»Vielleicht
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