Das Erbe der Pandora
nicht. Aber ich habe in
letzter Zeit eine Menge verrückter Dinge getan. Wollen Sie es wirklich darauf
ankommen lassen?«
Sie blickten sich einige lange
Sekunden starr an. Schließlich ging Evan zum Schreibtisch zurück, warf seine
Sachen in die Aktentasche, ließ sie zuschnappen, öffnete die Tür und ging
hinaus.
Iris ging zögernd zur Tür, von wo aus
sie sehen konnte, daß Evan durch die Bürosuite und zum Eingang eilte. Als er
weg war, steckte sie die Pistole wieder in die Tasche, stellte den umgeworfenen
Stuhl hin, ließ sich darauf sacken und faßte sich mit der Hand an ihr wild
pochendes Herz. Sie saß noch immer so da, als Liz hereinkam.
»Hier bist du!« Liz schaute sich um.
»Wo ist Top Gun?«
»Über alle Berge, nehme ich an.« Iris
strich sich nervös über die Haare und zog dann die Pistole aus der Tasche.
»Dies möchte ich dir zurückgeben.«
»Aber ich hab’ sie dir doch erst
gestern geliehen. Ich dachte, du wolltest sie am Schießstand ausprobieren, um
zu sehen, ob du dir vielleicht auch eine anschaffst. Behalt sie eine Zeitlang.
Ich hab’ zu Hause noch drei größere. Mensch, sogar in meinem Handschuhfach hab’
ich eine, die größer ist als das winzige Teil da.«
Iris hielt Liz die Pistole entgegen.
»Ich hab’ meine Meinung geändert. Ich will keine Waffe haben. Ich mag keine
Waffen. Außerdem bräuchte ich auch einen Waffenschein.«
»Ach was, Waffenschein«, meinte Liz
verächtlich, als sie Iris die Pistole abnahm. Liz prüfte, ob sie geladen war.
Das war sie. »Weißt du, was meine Polizisten-Kunden immer sagen: Lieber von
zwölf Leuten verurteilt als von acht getragen zu werden.« Sie steckte die Waffe
in ihre Jackentasche.
»Hab’ ich Sie endlich gefunden.«
Louise erschien außer Atem in der Tür. »Die Frau von Sam Eastman hat gerade
angerufen. Sam ist im Krankenhaus. Er wurde zusammengeschlagen.«
Im Krankenhaus erhob sich Janice
Eastman von dem Stuhl neben Sams Bett und begrüßte Iris vor der Tür. Doch zuvor
erhaschte Iris noch einen flüchtigen Blick von ihrem Chef. Sein Gesicht so sehr
geschwollen, daß er fast nicht zu erkennen war.
»Janice, was ist passiert?«
»Sam nimmt an, daß sich jemand in die
Garage geschlichen hat, als er den Wagen gestern abend hineinfuhr. Als er
ausstieg, verpaßte ihm der Kerl von hinten einen Hieb auf den Kopf und schlug
ihn dann zusammen.« Sie legte die Hände vors Gesicht. »Er hat ihn getreten,
während er am Boden lag. Welcher Unmensch tut denn so etwas?«
»Hat Sam gesehen, wer es war?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er war groß,
ein Mann mit einer Skimaske.« Sie schaute in Sams Zimmer. »Der Arzt sagt, er
kommt wieder in Ordnung. Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Iris betrat das Zimmer und versuchte,
natürlich auszusehen und sich von Sams Äußerem nicht erschrecken zu lassen. Er
wußte wahrscheinlich nicht, wie übel er aussah. Sie legte die Hand vorsichtig
auf seinen Arm.
Er sah durch die dünnen Schlitze
seiner geschwollenen Augen zu ihr auf. »Es tut mir leid, Iris. Ich habe mir
gesagt, daß ich es für das Geld tat. Jetzt, da ich hier liege, hatte ich Zeit,
darüber nachzudenken. Es ging mir nicht ums Geld. Ich war neidisch auf Sie.«
Iris sagte nichts. Sie mochte und
respektierte diesen Mann nicht, aber es schmerzte sie, jemanden in so einer
Verfassung zu sehen, und die beherzte Ehrlichkeit seines Geständnisses trieb
ihr die Tränen in die Augen. »Wer war es, Sam?«
»Ich weiß es nicht. T. Duke hat mich
gestern abend angerufen und das Geld zurückverlangt, das er mir gegeben hatte.
Er meinte, der Handel würde so laufen, daß Evan so lange in der Firma bleibt,
bis die Aufsichtsbehörde von seinen Geschäften Wind bekommt und Nachforschungen
anstellt. Ich hab’ ihm gesagt, daß ich meinen Teil des Deals erfüllt hätte und
ihm das Geld nicht zurückgeben würde. Könnte Baines gewesen sein.«
»Ich glaube, daß es Evan war, Sam. Er
hatte heute blaue Flecken auf seinen Fingerknöcheln. Das war die Rache dafür,
daß Sie ihn in die Falle gelockt haben.«
»Ist er im Büro?« fragte Sam.
»Er ist weg. Im Moment zumindest.«
36
E s hatte seit Tagen und Nächten stark
und ohne Unterbrechung geregnet. Der seit langem überfällige Regen war zuerst
willkommen, reinigend und erfrischend gewesen, nun aber drückte er aufs Gemüt.
Kalifornien kannte keine großen Wetterumschwünge — aber wenn, dann richtig.
Iris überkam kurz ein Gefühl der
Panik, als sie ihr Haus betrat und es darin leer und abgesehen
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