Das Erbe der Pandora
waren, an dessen
Ende fünf kleine Linien die Zehen darstellten. Unter jedem Fuß war ein
schwarzer Strich mit einem Kreis um den ersten Zeh — eine primitive Darstellung
einer Sandale mit Zehenriemchen. »Hier hat sie den fleischfarbenen Buntstift
benutzt.«
»Der Mörder hat schwarze Handschuhe
getragen«, rief Rose aus.
»Warum fragen wir Brianna nicht
einfach, ob sie das gemeint hat?« schlug Marge vor.
»Ich weiß nicht, ob wir das sollten«,
sagte Iris. »Sie scheint sich im Unterbewußtsein irgendwie freizuschwimmen. Das
möchte ich nicht behindern, indem ich ihre Aufmerksamkeit darauf lenke.«
Marge legte ihre knochigen Finger um
Iris’ Arm und führte sie zur Küche. »Warum genehmigen die Erwachsenen sich
nicht einen Aperitif?«
»Großartige Idee«, sagte Rose.
Als sie an den Wohnzimmerfenstern
vorbeigingen, bemerkte Iris einen grünen Range Rover, der vor ihrem Haus
nebenan anhielt. »O nein.«
»Wer ist das?« Rose sah aus dem
Fenster. »Ein Freund von dir?«
»Wohl kaum.« Iris erwartete, Evan zu
sehen, aber Summer Fontaine stieg auf der Fahrerseite des Range Rovers aus und
ging auf Iris’ Haustür zu.
Iris ging auf Marges Veranda und rief:
»Summer! Ich bin hier.«
Summer trug eine Hose mit Hosenträgern
über einem hautengen, schwarzen Rollkragenpullover, der ihre Brüste betonte.
Sie winkte Iris zu, ging den Bürgersteig entlang und kam dann die Auffahrt von
Marge hoch.
»Hallo«, sagte sie außer Atem. »Haben
Sie diesen Regen nicht auch satt?«
Iris war nicht in Laune für Small
talk. »Ist das nicht das Auto von Evan?«
»Er hat ihn mir geliehen.«
Iris überlegte krampfhaft, wie Evan
wohl in Kontakt mit Summer gekommen sein konnte. Dann fiel ihr der Tag ein, an
dem Summer zu McKinney Alitzer gekommen war und Evan ihr aus der Bürosuite
hinaus und in den Aufzug gefolgt war. Iris tat Toni leid. Sie hat sich nicht
nur in einen Scheißkerl verknallt, sondern wurde auch noch für ein blondes
Dumm-chen sitzengelassen. Eine doppelte Niederlage. »Sie und Evan sind
also...«, fing sie an, obwohl sie glaubte, bereits zu wissen, was da ablief.
»Er hilft mir, seit Kip mich
hinausgeworfen hat.«
Es war naß und kalt draußen. Jeder
zivilisierte Mensch hätte Summer hereingebeten, aber Iris hatte Lust, gemein zu
sein.
»Hören Sie, Iris. Ich weiß, daß Sie
mich nicht mögen, aber ich mußte einfach sicher sein, daß es Brianna gut geht.«
Iris bemerkte, daß ihre Mutter und
Marge sie durch die dünnen Vorhänge im Eßzimmer beobachteten.
»Ihr geht es gut. Ich habe sie gestern
abend bei Kip abgeholt. Danke, daß Sie mich über die Situation dort informiert
haben.« Iris erinnerte sich, daß Summer das Wohlergehen des Kindes im Auge
behalten hatte, und sie wurde ihr etwas sympathischer. »Wollen Sie
hereinkommen?«
»Ist Brianna da? Könnte ich sie nur
eine Minute sehen?« Summer wischte sich die Füße auf der Matte ab und ging ins
Haus.
Marge, die gütige Gastgeberin,
begrüßte sie und bot ihr etwas Warmes zu trinken an.
»Nein, danke«, antwortete Summer. »Ich
möchte nur kurz Brianna sehen und gehe dann wieder. Sie fehlt mir. Ich hab’ sie
aufgezogen, seit sie Baby war, müssen Sie wissen. Ich war mehr mit ihr zusammen
als Bridget.«
Iris verteidigte ihre Freundin. »Sie
wissen, daß das nicht wahr ist. Bridget war eine wundervolle Mutter.«
»Alle reden immer von der armen
Bridget. Welch eine Tragödie. Aber ich habe auch gelitten. Sie wissen nicht,
wie es war, für diese Frau zu arbeiten.«
»Summer, ich war überrascht, daß
Bridget Sie überhaupt so lange behalten hat. Nachdem sie Sie gefeuert hat,
haben Sie schnell eine Möglichkeit gefunden, um wieder ins Haus zu kommen,
nicht wahr?«
Summer zog die Augenbrauen zusammen
und sah sie gekünstelt verständnislos an. »Was wollen Sie damit sagen?«
Iris wollte Summer gerade
hinauskomplimentieren, als Brianna angerannt kam und auf sie zustürzte.
»Summer!«
Summer fiel auf die Knie und schloß
das Kind in die Arme. »Du hast mir ja so gefehlt, mein Baby.« Tränen liefen ihr
die Wangen hinunter. »Amüsierst du dich gut?«
Iris schaute sich die Begrüßung der
beiden mißmutig an.
Brianna rannte plötzlich aus dem
Zimmer und rief: »Ich hab’ dir was gemacht! Ich hole es.«
Summer kniete noch immer am Boden und
schaute zu Iris auf. »Mein Leben ist auch völlig auf den Kopf gestellt worden.«
Sie blinzelte einige Male und quetschte ein paar große Tränen heraus.
Iris rührte es nicht.
Brianna kam mit einem Blatt
Weitere Kostenlose Bücher