Das Erbe der Phaetonen
verging eine Minute.
Plötzlich stürzte der Venusianer zu der Schale, holte den Zet- tel heraus und warf ihn auf den Tisch. Diese Geste konnte Ver- achtung, Ungeduld oder einfach die Weigerung, die Bitte zu er- füllen, bedeuten. Vielleicht hatte der Mensch ihn beleidigt, dem er einen fremden Gegenstand in das heilige Gefäß legte? Wie sollte Belopolski das erkennen, wenn sich in den Gesichtern der Venusianer keine Gefühle spiegelten? Wenn sie stets völlig unbeweglich blieben?
Aber warum hatte er den Zettel nicht sofort wieder aus der Schale entfernt? Warum hatte er gewartet?
Belopolski sah ein, daß sein Versuch mißlungen war. Die Venusianer würden keine Nachricht an die Genossen überbrin- gen.
Plötzlich ergriff sein sonderbares Gegenüber den Zettel, wies mit der einen Hand auf die Zeichnung und dann auf die Schale.
War er vielleicht doch einverstanden?
Belopolski nickte und wiederholte aufs neue seine Erklärung. Der Venusianer wiederholte alle seine Gesten genau. Wieder flackerte Hoffnung auf, daß die Nachricht doch noch überbracht werden würde. Er durfte sie offenbar nur nicht in die Schale legen.
Belopolski dachte, daß die vernünftigen Geschöpfe verschie- dener Planeten, sowenig sie einander auch gleichen mochten, dennoch stets eine Methode finden könnten, ihre Gedanken aus- zutauschen.
Der Venusianer wies noch einmal auf den Zettel und auf die Darstellung des Raumschiffes auf der Zeichnung. Es leuch- tete ein – er war bereit.
Aber wer würde die Nachricht überbringen? Wenn es eine ,,Schildkröte“ tat, würde sie bestimmt durch den See zum Raum- schiff gehen. Wie könnte man den Brief vor der Wassereinwir- kung schützen? Eine Flasche würde leicht zerspringen.
Belopolski zögerte nicht lange. Er zog seine goldene Uhr aus der Tasche. Sie war ein Geschenk seines Lehrers, eines berühm- ten russischen Astronomen, und Konstantin Jewgenjewitsch trug das für ihn wertvolle Stück stets bei sich. Aber es blieb keine andere Wahl, er mußte es wagen, die Uhr zu verlieren. Er fal- tete den Zettel zusammen und legte ihn unter den doppelten Deckel. Das Gehäuse schloß gut, und es konnte kein Wasser eindringen. Dann hielt er dem Venusianer die Uhr hin.
Aber dieser nahm sie nicht an. Er blickte die Uhr an und traute sich anscheinend nicht, sie zu berühren. Aus welchem Grund?
Belopolski fiel ein, daß die Herren der Venus ein scharfes Gehör besaßen. Ob ihn das Ticken der Uhr beunruhigte? Höchstwahrscheinlich. Aber wie sollte Belopolski das Werkanhalten? Sogar hier in der Gefangenschaft hatte er die Uhr jeden Morgen aufgezogen.
Abermals zögerte er keinen Augenblick. Er öffnete den hin- teren Deckel und drückte mit einem Finger auf die Unruhe. Das rubinene Hämmerchen brach ab, die Uhr stand.
Nun nahm der Venusianer den Gegenstand, der ihm rätsel- haft war, an sich. Dabei wies er zum dritten Male auf die Dar- stellung des Raumschiffes.
Belopolski atmete erleichtert auf. Sein Brief würde zum Schiff gebracht werden, und die Genossen würden erfahren, wie es ihnen hier ergangen war und wo sie sich befanden. Alles übrige würde von Melnikow abhängen. Belopolski war überzeugt, daß sein Vertreter die Situation meistern würde.
Er kehrte zu dem Geländewagen zurück.
Die Uhr blieb auf dem Tisch. Daneben hatte Belopolski auch Bleistift und Notizbuch liegengelassen. Ihm war nicht entgan- gen, daß diese Gegenstände den Venusianer sehr interessierten.
Romanow empfing ihn mit einer Neuigkeit.
„Unsere Gastgeber möchten unseren Wagen einmal fahren sehen“, berichtete er.
„Warum nicht? Das ist doch zu verstehen. Erfüllt ihren Wunsch. Der Raum hier ist groß genug, und der Wagen kann im Kreis herumfahren. Aber daß Sie mir nicht den Scheinwerfer einschalten!“
Romanow setzte sich auf den Fahrersitz. Belopolski blieb bei den Venusianern und erklärte ihnen mit einer Handbewegung, sie sollten an die Wand zurücktreten. Gehorsam befolgten sie seine Weisung. Die Zeichensprache ersetzte vorläufig immer noch gut das gesprochene Wort. Das kam, weil sich die grund- legenden Gesten von Geschöpfen, die Verstand und Hände be- sitzen, nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Sie sind nicht erfunden, sondern naturgegeben.
Das Raupenfahrzeug ruckte an. Seine Ketten verursachten auf dem Balkenboden einen unglaublichen Lärm.
Die Venusianer hielten
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