Das Erbe der Phaetonen
warteten, schien nicht mehr fern zu sein.
Alle machten Platz und gaben einen breiten Gang von der Tür bis zu der Stelle, an der Belopolski stand, frei. Die Reporter hielten ihre Apparate über den Kopf und drängten näher zur Tür.
Die Bahnhofshalle betrat der Direktor des Kosmischen In- stituts, der mit vier goldenen Ziolkowski-Medaillen ausgezeich- nete Held der sozialistischen Arbeit Sergej Alexandrowitsch Kamow in Begleitung des Präsidenten der Akademie der Wis- senschaften der UdSSR und des schlohweißen Akademiemit- glieds Woloschin.
Er blieb einen Augenblick stehen, dankte mit einer Hand- bewegung für den lebhaften Beifall der Versammelten und ging mit raschen Schritten quer durch die Halle auf Belopolski zu.
Melnikow beobachtete, wie Kamow mit einem flüchtigen Blick
Olga streifte, und nahm das anerkennende Lächeln wahr, das in seinem Gesicht aufleuchtete, als er sah, wie ruhig seine Tochter sich hielt.
„Langer Abschied – unnütze Tränen!“ sagte Kamow so laut, daß es alle hören konnten. „Gehen wir an Bord, Konstantin Jewgenjewitsch!“
„Wir haben bloß auf Sie gewartet“, erwiderte Belopolski schlagfertig wie immer.
„Ich bitte die Expeditionsteilnehmer, sich um mich zu sam- meln!“ rief Melnikow.
Paitschadse trat als erster zu ihm, nachdem er Frau und Toch- ter geküßt hatte. Die Tochter an der Hand, ging Nina Artschil- lowna zur Treppe.
Dem Beispiel der Familie Paitschadse folgten auch die ande- ren. Die Halle leerte sich. Nur die Raumfahrer und die Mit- glieder der Regierungskommission blieben zurück.
„Abschiedsreden sind bei unseren Starts nicht üblich“, sagte Kamow. „Also kurz und gut: Glückliche Reise!“
Er küßte Belopolski dreimal und gab allen übrigen die Hand.
Olga war noch nicht hinaufgegangen. Sie stand neben Melni- kow und hielt ganz fest seine Hand. Selbst in diesem letzten Augenblick wahrte sie nach außen hin Ruhe. Der Charakter Kamows, der sich in jeder Lage zu beherrschen wußte, äußerte sich auch in seiner Tochter.
„Olga!“ rief Kamow.
Wortlos küßte sie ihren Mann – ihm kamen ihre Lippen so kalt vor, als wären sie gefroren – und ging zu ihrem Vater.
Mit schier unwiderstehlicher Gewalt trieb es Melnikow, ihr nachzueilen. Er wollte sie noch einmal an sich drücken. Aber er wußte, daß dies unmöglich war. Seine Kameraden sahen ihn an. Er hatte nicht das Recht, ihnen ein Beispiel von Schwäche zu geben.
„Also fahren wir!“ rief Paitschadse ausgelassen. „Wer steigt mit mir in den ersten Wagen?“
Er faßte Stanislaw Korzewski unter und ging mit ihm auf die Tür der Metro zu. Er sah sich nicht einmal mehr um – wie gern hätte er Kamow noch einmal in die Augen gesehen – und ging die Treppe hinunter.
„Werden Sie uns zur Startbahn begleiten?“ fragte Belopolski zögernd Kamow.
„Nein.“ Sergej Alexandrowitsch wies mit einem Blick auf Olga, die er mit dem linken Arm fest an sich gezogen hatte. „Wir werden uns euren Start vom Dachgarten aus ansehen.“
Er drückte Belopolski noch einmal die Hand und ging, nach- dem er Melnikow zugenickt hatte, die Treppe hinauf. Ihm folg- ten alle, die noch in der Halle geblieben waren.
Die Expeditionsteilnehmer stiegen, einer nach dem anderen, zur Untergrundbahn hinunter. Melnikow folgte als letzter. Der Wagen, in den Paitschadse und fünf andere gestiegen waren, hatte den Bahnsteig schon verlassen. Aus dem Tunnel rollte der nächste.
Erst als sich der Wagen endlich in Bewegung gesetzt hatte und immer schneller dahinjagte, fühlte Melnikow, daß er sein Gleichgewicht wiederfand. Die Ruhe, die ihm längst zur Ge- wohnheit geworden war, ergriff wieder von ihm Besitz. Olga und alles, was mit ihr verbunden war, ließ er nun hinter sich. Vor ihm lag wieder ein Start, wie er ihn nicht zum erstenmal erlebte, ein Flug. Ihn erwartete die Weite des Alls, eine Raum- fahrt, wie sie seinem Herzen gefiel.
Er warf einen Blick auf die Kameraden.
Belopolski schien ganz in Gedanken vertieft zu sein. Der Aus- druck seines runzligen Gesichts war wie immer, und Melnikow schloß daraus, daß Konstantin Jewgenjewitsch sich auf den be- vorstehenden Start konzentrierte. Igor Dmitrijewitsch Toporkow blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus und sah den vor- überhuschenden grünen Lichtern nach. In den markanten, schar- fen Zügen seines Gesichts war nicht ein
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