Das Erbe der Phaetonen
eingeladen worden waren. Regierungsmitglieder, Mitarbei- ter des Kosmischen Instituts, Wissenschaftler, Verwandte und Freunde umringten die kühnen Männer, die an diesem Tage die Erde verlassen und mutig eine lange Fahrt, die voll unbekann- ter Gefahren war, antreten wollten.
Belopolski und Melnikow standen an der Glastür, die auf das Flugfeld hinausführte. Neben ihnen standen Olga, Serafima Petrowna Kamowa und Belopolskis Schwester, eine grauhaarige alte Frau, seine einzige Verwandte. In ihrer Nähe saß Paitscha- dse mit Frau und Tochter auf einer Polsterbank.
Melnikow und Olga waren äußerlich ruhig. Nur die Blässe ihrer Gesichter und die Schatten unter ihren Augen verrieten, daß sie die Nacht nicht geschlafen hatten und ihnen die Tren- nung schwerfiel – sie hatten schon zu Hause voneinander Ab- schied genommen, weil sie vor anderen nicht gern ihre Gefühle zeigten.
Belopolski und Paitschadse waren wie immer. Nina Artschil- lowna lachte sogar. Es war für sie nichts Neues mehr, daß sie ihren Mann zu einer Fahrt in den Kosmos verabschiedete. Sie begleitete Arsen Georgijewitsch das fünfte Mal zum Start. Ma- rinas hübsches kleines Gesicht war verzerrt, und Tränen hatten ihre Augen gerötet. Doch vor den anderen weinte sie nicht. Sie hielt die Hand ihres Vaters in der ihren und sah ihn unver- wandt an.
Dem Beispiel ihrer Vorgesetzten nacheifernd, gaben sich alle Expeditionsmitglieder Mühe, ruhig zu wirken, aber manch einem gelang es nicht recht.
Ein untersetzter Mann mit rosigem Gesicht und langem grauem Haar schritt hastig und nervös von einer Gruppe in der Halle zur anderen. Trat er an jemand heran, warf er ein paar nichtssagende Worte hin und ging, ohne auf Antwort zu warten, zum nächsten weiter. In seinen jähen Bewegungen und dem erstarrten Lächeln auf seinem Gesicht spürte man mühsam unter- drückte Erregung. Er war der Leiter des wissenschaftlichen Teils der Expedition, Akademiemitglied Balandin, und obwohl er zum zweiten Male an einer Weltraumfahrt teilnahm, konnte und konnte er seiner Nerven nicht Herr werden.
Paitschadse gegenüber, zwischen seiner Frau und seinem Sohn, saß gelassen Konstantin Wassiljewitsch Saizew, der Chefinge- nieur des Raumschiffs. Er wirkte völlig ruhig.
In den äußersten Winkel zurückgezogen, stand Gennadi An- drejewitsch Wtorow an der Wand. Eine hübsche Blondine klam- merte sich bald lachend, bald weinend mit beiden Händen an seinen linken Arm. Wtorows energisches Gesicht war zu einem gequälten Ausdruck erstarrt.
Dicht beieinander standen die unverheirateten Kosmonauten Orlow, Romanow und Knjasew, von ihren Verwandten um- geben. Um gelassen zu wirken, lachten sie oft, aber ihr Lachen klang unecht.
Ganz natürlich lächelnd schlenderte dagegen, seine Frau am Arm, der erfahrene Kosmonaut Funkingenieur Toporkow durch die Halle. Sein Gesicht, das mit den großen dunklen Augen ein wenig zigeunerisch wirkte, zeigte einen so unerschütterlichen Ausdruck, als beabsichtige er, nur für kurze Zeit in eine nahe- gelegene Stadt zu reisen.
Friedlich plauderten der Schiffsarzt Stepan Arkadjewitsch Andrejew und der polnische Biologe Korzewski, der erst drei Tage zuvor mit dem Flugzeug nach Moskau gekommen war, über belanglose Dinge. Den beiden gab niemand das Geleit.
Nicht nur diejenigen, die binnen kurzem die Erde verlassen wollten, sondern auch ihre Angehörigen warteten voller Span- nung auf den Start. Viele der Zurückbleibenden konnten ihre Gemütsverfassung nicht verhehlen. Das Stimmengewirr schwoll bald an, bald brach es jäh ab, und in der Bahnhofshalle trat dann gespanntes Schweigen ein.
„Es wird Zeit“, sagte Melnikow leise, zu Belopolski gewandt. „Vielen wird das Warten zur Qual.“
Die Zeiger der Wanduhr in der Halle zeigten auf viertel zwölf.
„Wann kommt er denn endlich?“ fragte Konstantin Jewgen- jewitsch.
„Auf der Chaussee wird der Teufel los sein“, sagte jemand in der Nähe. „Gut möglich, daß Sergej Alexandrowitschs Wagen aufgehalten wurde.“
„Mich sollte es nicht wundern, wenn die Menschen ihn samt seinem Wagen auf Händen hertrügen!“ Melnikow brach in ein schallendes Gelächter aus.
In diesem Augenblick schwoll das Stimmengewirr, das man die ganze Zeit durch die offenen Fenster gehört hatte, heftig an und ging in ein ohrenbetäubendes Getöse über, das sich schnell dem Bahnhof näherte. Der Mann, auf den alle
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